Interview mit NRW-Umweltminister Johannes Remmel "Der Katzenabschuss gehört nicht ins Jagdrecht!"

Jäger dürfen eine ganze Menge: Sie stellen Totschlagfallen auf, bilden Jagdhunde an lebenden Enten aus und haben das Recht, wildernde Hauskatzen zu erschießen.

Spätestens Ende Juni soll damit Schluss sein: NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) hat eine Jagdrechtsnovelle vorbereitet, die sich am Tierschutz orientiert - und bekommt Gegenwind von einer mächtigen Lobby. Mit Jasmin Fischer sprach er über einen Kulturkampf, der das halbe Land spaltet.

Der ländliche Raum läuft Sturm: Tausende Jäger wollen Mittwoch gegen das geplante, neue Jagdgesetz protestieren. Landwirte und Forstbesitzer solidarisieren sich mit ihnen. Befindet NRW sich in einem Kulturkampf - zwischen einerseits den Jägern als bürgerlicher Speerspitze, die die älteste Technik der Menschheit retten wollen, und dem urban geprägten Lager der Grünen andererseits
Johannes Remmel: Die Welt so aufzuteilen gefällt mir nicht und entspricht auch nicht der Realität. Erstens ist die tierschutzgerechte Jagd kein ausschließliches Anliegen der Grünen allein. Viele Bundesländer haben ihr Jagdrecht ebenfalls reformiert - das Saarland unter SPD und CDU. Zum Zweiten haben sich die Vorstellungen der Gesellschaft geändert: Wir haben den Tierschutz in der Verfassung verankert und dann gilt es, ihn auch in Gesetze aufzunehmen. Das hat mit der Parteifarbe nur begrenzt etwas zu tun. Es geht nicht darum, mit der Tradition der Jagd zu brechen, sondern sie für die Zukunft zu begründen.

Es scheint so, als würde es doch zwei verschiedene Kulturen geben: Auf der einen Seite ist die Zahl der Jäger in NRW mit über 87.000 auf ein Rekordhoch gestiegen. Auf der anderen Seite stehen Städter, die es antiquiert und falsch finden, ausgestopfte Tier-Trophäen an die Wand zu hängen.
Remmel: Mit der Jagdrechtsnovelle stehen wir nicht auf einer Seite, sondern in der Mitte - es gibt viele Forderungen, die Liste der jagdbaren Tiere stärker zu reduzieren. Und ich würde sogar sagen, dass wir in Teilbereichen mehr Jagd brauchen, also da, wo Schwarzwild überhand nimmt oder die Fraßschäden durch Hirsche und Rehe kaum einzudämmen sind. Da kommen Jäger ihrer Verpflichtung oft nicht nach! Im Übrigen, daraus habe ich nie einen Hehl gemacht, halte ich Wildfleisch für sehr naturnahes Fleisch. Aber es muss nachvollziehbare Gründe zur Jagd geben, wie die Verwertung von Fleisch oder Seuchenprävention. Darin steckt der Konflikt: Die Jäger meinen, sie könnten weiterhin aufgrund ihres Eigentumsrechtes frei über alles Wild verfügen. Da sagen wir: Es muss einen vernünftigen Grund geben, Tiere zu töten.

Wenn Sie sagen, es muss zur Tötung von Tieren einen triftigen Grund geben, dann erklären Sie bitte, warum Angler in Deutschland jeden gefangenen Fisch töten müssen und ihn nicht zurück ins Wasser setzen und weiterleben lassen dürfen?
Remmel: Es geht ja hier nicht alleine ums Töten: Die Methode des Sportfischens - also gucken, wer den größten Karpfen gefangen hat, den Fisch wieder einsetzen, damit der Nächste ihn wieder angeln kann - ist mit dem Tierschutz ebenfalls nicht vereinbar. Deshalb ist diese Praxis verboten, und nur das Angeln zur eigenen Verwertung erlaubt.

Größter Streitpunkt der Jagdrechtsnovelle ist der Abschuss wildernder Hauskatzen. Die Jäger wollen dieses Recht unbedingt behalten, zukünftig soll die Praxis jedoch verboten sein. Ist in der Frage mit einem Kompromiss zu rechnen?
Remmel: Das Parlament ist jetzt am Zuge, die Fraktionen beraten darüber. Bei der Frage gibt es meines Erachtens aber keinen Spielraum, sondern nur klare Kante: Der Katzenabschuss gehört nicht ins Jagdrecht! Man muss allerdings auch sehen, dass wir ein Problem mit der Zunahme von Freigängern oder verwilderten, Hauskatzen haben. Es ist Angelegenheit der Kommunen, diese Situation zu regulieren - etwa über eine Kennzeichnungs- oder Kastrationspflicht.

Die Jäger sagen, sie regulieren die Katzenplage.
Remmel: Diese These stimmt einfach nicht! Die meisten Probleme mit Streunern haben wir dort, wo Jäger ohnehin nicht schießen dürfen, etwa in Stadtparks. Zweite These, die nicht stimmt: Wildernde Katzen fressen alle Singvögel. Untersuchungen zeigen, dass der Hauptmageninhalt von Freigängern aus Mäusen besteht. Auch das ist kein Kampf zwischen Stadt und Land: Wir bekommen viele Zuschriften gerade von Menschen aus Dörfern, die das Drama einer erschossenen Hauskatze kein zweites Mal durchleben wollen. Der Konflikt ist doch ein ganz anderer.

Welcher?
Remmel: Die Konfrontation liegt nicht zwischen Jäger und Tierschützer. Wir müssen uns vielmehr fragen, wie unsere Kulturlandschaft sich wieder so entwickeln kann, dass mehr Tiere ein Zuhause finden können - auch auf dem Land, wo es immer weniger Hecken oder Gehölze als Refugium gibt.

Sie bieten einer mächtigen Lobby im Land die Stirn, haben aber auch Kritiker in den eigenen Reihen: In Tecklenburg ist ein Ratsherr aus Protest gegen die Jagdrechtsnovelle aus Ihrer Partei ausgetreten. Haben Sie mit so viel Widerstand gerechnet?
Remmel: Das ist aus meiner Sicht ein Einzelfall. Negative Rückmeldungen gibt es eigentlich nur von im Landesjagdverband organisierten Jägern. Deren Vorwurf, ich betreibe Klientelpolitik, ist eine Verleumdung - denn in NRW gibt es auch 200 000 Natur- und 200.000 Tierschützer. Ein Gesetzgeber muss den Ausgleich von Interessenlagen hinbekommen. Diese Novelle stand an, und ich habe die Aufgabe des Koalitionsvertrages angenommen.

Ein Zahn ist der Novelle gezogen worden: Naturschutzvereine können die Jagd auf ihrem Grund und Boden nun doch nicht verbieten. Was bleibt übrig von Ihrer Originalfassung?
Remmel: Über ein Verbot des Katzenabschusses hatten wir bereits gesprochen. Auch die Baujagd und Totschlagfallen sollen abgeschafft werden; Büchsenmunition muss in Zukunft bleifrei sein. In der Jagdhunde-Ausbildung soll es keine direkte Konfrontation mit lebenden Enten mehr geben. Außerdem müssen Jäger, die Paarhufer schießen wollen, jährlich einen Leistungsnachweis erbringen, dass sie treffsicher sind. So soll vorgebeugt werden, dass Tiere nur angeschossen werden und dann elendig verenden. Mit dem neuen Jagdrecht wollen wir auch ermuntern, sich breit ehrenamtlich für das Jagdwesen einsetzen zu können. Auf Wunsch des Jagdverbandes haben wir sogar noch die Meldepflicht bei Verkehrsunfällen mit Rehen oder Wildschweinen aufgenommen. Es gibt viele Autofahrer, die die verletzten Tiere einfach zurücklassen und bislang keiner Regelung unterworfen waren.

SPD-Fraktionschef Norbert Römer hat bereits verlauten lassen, der Entwurf in der jetzigen Form würde ganz sicher nicht Gesetz werden. Trägt die SPD das Jagdgesetz überhaupt mit?
Remmel: Es steht in unserem Koalitionsvertrag, da habe ich keine Bedenken. Dass das eine oder andere vom Parlament noch verändert wird, liegt in der Natur der Sache.