Duisburger Bauskandal Der letzte Zeuge Jürgen Rüttgers

DÜSSELDORF · Neue Brille, schlanker, leicht gebräunt: Jürgen Rüttgers, der letzte Zeuge im Untersuchungsausschuss des Landtags zum Millionenskandal "Landesarchiv", präsentiert sich freundlich, aber hoch konzentriert.

 Als Zeuge vor dem Ausschuss: Der frühere Ministerpräsident Jürgen Rüttgers.

Als Zeuge vor dem Ausschuss: Der frühere Ministerpräsident Jürgen Rüttgers.

Foto: dpa

Die Schuld an der Kostenexplosion beim Bau des Landesarchivs in Duisburg von 30 auf knapp 200 Millionen Euro weist der Ministerpräsident a.D. weit von sich. "Ein Ministerpräsident baut keine Archive."

Zwei Stunden steht der frühere Regierungschef im Ausschuss Rede und Antwort. Helmut Kohls einstiger Zukunftsminister soll über Vergangenes reden. Die Standortentscheidung für Duisburg Ende 2006 begründet der 63-jährige CDU-Politiker mit der Industriekrise im Ruhrgebiet und der Unterstützung des Projekts Kulturhauptstadt. "Ich halte die Entscheidung nach wie vor für richtig", sagt Rüttgers.

Für die erheblichen Kostenüberschreitungen sei der Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) verantwortlich. Dessen Geschäftsleitung habe der Verwaltungsrat nicht genug auf die Finger geschaut. Als die Staatskanzlei merkte, dass etwas aus dem Ruder läuft, machte Rüttgers nach eigenen Angaben "den Deckel drauf": maximal sechs Millionen Euro Jahresmiete.

Vorwürfe, der Ministerpräsident hätte in Duisburg um jeden Preis ein "Prestigeprojekt" und "Leuchtturm" durchgesetzt, lässt Rüttgers nicht gelten. Die Kostensteigerung von vier auf sechs Millionen Euro habe er akzeptiert, weitere Erhöhungen aber abgelehnt. Die Kosten blieben beim BLB. Als Landestochter untersteht der BLB allerdings der Zuständigkeit des Finanzministers. Prinzip: Linke Tasche, rechte Tasche. Verluste landen am Ende beim Land. In der Landesregierung wuchs damals der Eindruck, dass der BLB "total überfordert" war. Ob Aufsichtsrat und Staatskanzlei kriminell getäuscht wurden, lässt der Zeuge Rüttgers offen.

Beim ersten öffentlichen Auftritt im Landtag seit Jahren hat der promovierte Jurist aus Pulheim ein Heimspiel. Im CDU-Fraktionssaal hängt sein Konterfei gleich zweifach an der Wald: als Fraktionschef und Ministerpräsident. Nach dem Schock der verlorenen Landtagswahl 2010 hat sich Rüttgers neu aufgestellt. Rüttgers arbeitet für eine Düsseldorfer Wirtschaftskanzlei.

Am Politischen Institut der Uni Bonn gibt er Seminare, schreibt Bücher, Gastkommentare und Analysen - so zum Ausgang der Bundestagswahl. "Ich bin viel unterwegs wie früher." Rüttgers pflegt die transatlantischen Beziehungen und besucht als Mitglied im Rat der Auschwitz-Birkenau Foundation regelmäßig Polen und reist als Gast nach Israel.

Im Untersuchungsausschuss lässt Rüttgers die Abgeordneten zum Ende des Fragemarathons schon mal spüren, dass er als Ministerpräsident a.D. in einer anderen Liga spielt. Schnippisch korrigiert er Fragen, reagiert genervt auf unpräzises Nachbohren und zeigt sich nach dem Aktenstudium gut vorbereitet. Gleichzeitig belehrt er, dass ein Ministerpräsident nur Grundsatzentscheidungen trifft, keine Details regelt. "Sachbearbeitung ist nicht Sache des MP. Die Baubearbeitung lag beim BLB."

Die Staatsanwaltschaft Wuppertal ermittelt seit mehreren Jahren wegen des Landesarchivs und weiterer Immobilienprojekte des BLB. Der Verdacht: Korruption beim An- und Verkauf von Grundstücken und millionenschwere Schmiergeldtöpfe.

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