Winterklausur der CSU Der nächste Versuch

WILDBAD KREUTH · Kurz vor Einbruch der Dunkelheit ist sie da. Angela Merkel nimmt gewissermaßen aus der Luft eine Trutzburg der CSU ein. Um 16.50 Uhr setzt der Hubschrauber mit der Bundeskanzlerin an Bord auf dem mit einer dünnen Schneeschicht bedeckten Boden vor dem legendären Wildbad Kreuth auf.

 Unter Spannung: Bei ihrer Winterklausur in Wildbad Kreuth stellte die CSU Merkel ein Quasi-Ultimatum: 2016 soll die Flüchtlingswende bringen. Seehofer beklagte, dass täglich im Schnitt 3000 Flüchtlinge nach Deutschland kämen.

Unter Spannung: Bei ihrer Winterklausur in Wildbad Kreuth stellte die CSU Merkel ein Quasi-Ultimatum: 2016 soll die Flüchtlingswende bringen. Seehofer beklagte, dass täglich im Schnitt 3000 Flüchtlinge nach Deutschland kämen.

Foto: dpa

In dem ehemaligen Kurbad nahe der Grenze zu Österreich, in dem früher Kaiser Urlaub machten, Schwindsüchtige und Asthmakranke behandelt wurden, schließt sich die CSU-Landesgruppe jeden Winter zur Klausur ein. Seit exakt 40 Jahren.

Der Ort hat politisch Geschichte geschrieben. 1976 verkündete Franz Josef Strauß den legendären Trennungsbeschluss, 2007 stürzten die CSU-Landtagsabgeordneten nach einer turbulenten Nachtsitzung Edmund Stoiber als Ministerpräsidenten und Parteichef. Jetzt kommt mit Merkel erstmals auch eine Bundeskanzlerin nach Kreuth. Es gibt viel zu bereden, weil der Streit über den Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland in den Unionsparteien noch lange nicht beendet ist.

Den Protest unten in der Gemeinde Kreuth hat Merkel erst gar nicht gesehen. Sauber eingepfercht hinter Polizeiabsperrgitter demonstrieren einige Dutzend Anhänger der Alternative für Deutschland an einer Bushaltestelle längs der Ortsdurchfahrt gegen "Asylmissbrauch", halten Schilder mit "Stoppt Merkel!" hoch und skandieren: "Merkel muss weg!". Es hilft nicht. Merkel ist da. Sie steht jetzt zwischen CSU-Chef Horst Seehofer und Gerda Hasselfeldt, die als Chefin der CSU-Landesgruppe zugleich Gastgeberin ist. Die Sternsinger, die am Dreikönigstag traditionell die CSU-Bundestagsabgeordneten besuchen, sind da schon lange weg.

Die CDU-Vorsitzende ist zum zweiten Mal binnen zwei Monaten Gast der CSU. Mitte November düpierte Seehofer sie beim Parteitag der Christsozialen auf offener Bühne, weil Merkel der CSU im Flüchtlingsstreit partout nicht mit einer Obergrenze für Flüchtlinge entgegenkommen wollte.

Wenige Tage vor der Klausur der CSU-Landesgruppe nannte Seehofer nun die Zahl von 200 000 Flüchtlingen, die Deutschland jährlich maximal verkraften könne. Merkel ließ ausrichten, sie bleibe bei ihrer Linie, weil sich Flüchtlingszahlen "nicht im nationalen Alleingang" begrenzen ließen. Jetzt das nächste Treffen der beiden in den oberbayerischen Bergen. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt nennt noch vor dem Eintreffen Merkels die 200 000 eine "Orientierungsgröße, die sich ergibt aus der Begrenzung der Aufnahmekraft". Man dürfe die Integrationskraft im Lande "nicht überstrapazieren", mahnt Hasselfeldt und freut sich auf zwei "intensive und ernsthafte" Stunden mit der Kanzlerin.

Seehofer legt vor dem Eintreffen Merkels noch einmal nach. Es gehe darum, "die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen, und das heißt nichts anderes als begrenzen". Der CSU-Chef erwartet ein "sehr gutes Zusammentreffen" mit Merkel. Man habe "sehr häufig" in den vergangenen Tagen, auch zwischen den Festtagen, miteinander gesprochen. Es sei doch eine "Ehre", dass die Bundeskanzlerin nach Kreuth komme, weil dies die bundespolitische Bedeutung der CSU unterstreiche.

Seehofer bringt es auf eine einfache Erkenntnis: "Abgerechnet wird immer an der Grenze."Aber der CSU-Chef weiß natürlich auch um die Unterschiede der Standpunkte zwischen Merkel und ihm, und auch zwischen der CDU und der CSU: Erst vor drei Wochen beim Parteitag in Karlsruhe haben die Christdemokraten ihrer Vorsitzenden beinahe einstimmig in der Flüchtlingspolitik den Rücken gestärkt. Der Flüchtlingsstrom nach Deutschland müsse begrenzt werden, aber eine "Obergrenze" wie die CSU fordert die CDU explizit nicht. Seehofer sagt dann noch zwei Dinge. Erstens: Das Treffen mit Merkel bedeute nicht, "dass wir heute um 19 Uhr eine völlig andere Flüchtlingspolitik haben werden". Zweitens: "Es zählt in der Politik nur, was zustande kommt."

Merkel formt im Halbdunkel vor dem Tagungszentrum Wildbad Kreuth die Hände zur Raute. Sie dankt der "lieben Gerda" und dem "lieben Horst" für die Einladung in die oberbayerischen Berge. Hasselfeldt hat ja vorher noch gesagt, dass es nicht darauf ankomme, wer Recht habe oder bekomme, "sondern dass es sich lohnt, miteinander zu diskutieren". Das Ziel bleibe auch 2016, die Zahl der Flüchtlinge nach Deutschland zu reduzieren. Als Merkel betont, dass es zwischen den Unionsparteien weiter "eine unterschiedliche Position" in der Flüchtlingsfrage gebe, "und das wird sich heute in der Diskussion auch nicht ändern", läutet die Turmglocke des Wildbades die nächste volle Stunde ein. Seehofer muss bei aufgeschaltetem Mikrofon stumm bleiben, weil Merkel ihn kalt stehen lässt: "Wir gehen jetzt an die Arbeit, glaube ich."

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