Kommentar Der Pferdefleisch-Skandal - König Kunde kocht

Erst schieben sie die Discounter-Lasagne in die Mikrowelle, dann kochen sie vor Wut: Viele Verbraucher bekleckern sich in diesen Tagen eher mit undefinierbar-ekeligen Fertigprodukten denn mit Ruhm.

Schweinerei!, rufen sie bei dem schwer verdaulichen Gedanken, auf billigem Pferd herumgekaut zu haben statt auf nicht viel weniger billigem Rind, stecken Lebensmittelindustrie, Supermarktketten und Behörden in einen Sack und hauen ordentlich drauf. Dabei treffen sie zwar nicht selten die Richtigen. Es stünde ihnen aber gut zu Gesicht, sich einmal an die eigene Nase zu fassen.

Die erste Frage, die sich jeder Fleischesser stellen muss, ist die, ob es einen moralischen Unterschied gibt zwischen dem Verzehr von Huhn, Schwein, Schaf, Rind oder Pferd. Letzteres hat in unserer Kultur oft den Status eines Haustieres, das wir - ähnlich wie Hund und Katze - nur im übertragenen Sinn zum Fressen gern haben.

Etwas diffiziler wird es beim Reh, mit dem der Mensch in der Regel zwar keine Freundschaften schließt, das aber mit seinen Kulleraugen vermeintlich gute Argumente dafür liefert, in einem Kochtopf deplatziert zu sein. Eines aber ist klar: Sobald wir einem Tier einen Namen gegeben haben, ist im Zweifel Schmusen angesagt, nicht Schmatzen. Wer will schon, dass Fury oder Bambi verhackstückt werden - oder ein Schwein-chen namens Babe oder die vorübergehend flüchtige Kuh Yvonne?

Hand aufs Herz: Das alles ist durchaus ein bisschen heuchlerisch. Und darum ist bei näherer Betrachtung auch nicht die Tatsache skandalös, dass der eine oder andere das an sich nicht ungesunde Pferdefleisch gegessen hat. Skandalös sind die verschlungenen Vertriebswege und die damit verbundene Verschleierungstaktik und Verbrauchertäuschung.

Dennoch: Täuschung funktioniert nur dann, wenn es jemanden gibt, der sich täuschen lässt. Was glauben eigentlich die zahlreichen Geiz-ist-geil-Fans, was sie für 1,99 Euro auf den Teller kriegen? Die meisten von ihnen verschließen fest die Augen vor der längst bekannten Tatsache, dass die industrielle Massentierhaltung, die nicht selten mit Tierquälerei und unfairem Handel verbunden ist, alles mögliche produziert, nur keine Qualität.Geschmacksverstärker, Konservierungsstoffe, E 100, 200, 300 werden schulterzuckend geschluckt, obwohl sie auf der Zutatenliste stehen. Aber zehn Gramm Pferd, von schwarzen Schafen heimlich untergejubelt, sollen dann auf keine Kuhhaut mehr gehen?

Ja, ja, mehr Kontrollen sind sinnvoll, härtere Strafen auch. Wir brauchen jetzt Politiker, die anders als der grüne NRW-Verbraucherschutzminister nicht nur reden, sondern handeln. Lebensmittelkontrolle ist Ländersache. Und Verbrauchersache. Wer frische regionale Produkte kauft und diese selbst verarbeitet, fällt auf keine Rosstäuscherei mehr herein.

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