Nach G7-Gipfel Deutschland bäumt sich gegen Trump auf

Berlin/Washington · Die Gipfel-Premieren von US-Präsident Trump haben die westliche Wertegemeinschaft gespalten. Nach dem Willen der Bundesregierung soll Europa nun voranschreiten und das Machtvakuum in der internationalen Politik füllen. Ist die EU dafür stark genug?

 Bundeskanzlerin Merkel am Sonntag bei einem Wahlkampftermin in einem Bierzelt in Bayern.

Bundeskanzlerin Merkel am Sonntag bei einem Wahlkampftermin in einem Bierzelt in Bayern.

Foto: Matthias Balk

Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte Trump indirekt vor einem Weg in die Isolation : "Wer sich heute nationale Scheuklappen aufsetzt und keinen Blick mehr für die Welt um sich herum hat, verläuft sich (...) letztlich ins Abseits."

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach den USA die Führungsrolle in der westlichen Wertegemeinschaft ab. Die Oppositionsparteien Linke und Grüne liegen mit der Regierung ausnahmsweise auf einer Linie. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dringt auf mehr Eigenständigkeit und Geschlossenheit der Europäer.

Bei den Gipfeltreffen waren massive Differenzen zwischen Trump und seinen Verbündeten bei Militärausgaben, Klimaschutz oder auch in der Flüchtlingspolitik deutlich geworden. Merkel hatte anschließend gesagt: "Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen." Die Zeiten, in denen man sich auf andere völlig verlassen könne, seien "ein Stück weit vorbei".

SPD-Chef Schulz warf Trump sogar "politische Erpressung" vor. "Der neue US-Präsident setzt nicht auf internationale Kooperation, sondern auf Isolationismus und das vermeintliche Recht des Stärkeren", schreibt Schulz in einem Beitrag für den "Tagesspiegel" (Dienstag).

Gabriel sieht eine Verschiebung der weltweiten Machtverhältnisse. Er sprach von einem "Ausfall der Vereinigten Staaten als wichtige Nation". Es habe sich am Wochenende nicht nur um einen missglückten G7-Gipfel gehandelt. "Das ist leider ein Signal für die Veränderung im Kräfteverhältnis in der Welt", sagte der SPD-Politiker. "Der Westen wird gerade etwas kleiner."

Linke-Chefin Katja Kipping bezeichnete Trump als "infantilen Narzissten". Deutschland müsse nun "mit dem Duckmäusertum gegenüber den USA" aufhören und "eine klare Kante gegen das Aufrüstungs-Diktat von Trump" zeigen, sagte sie der "Bild"-Zeitung (Montag).

Der Grünen-Außenexperte Jürgen Trittin stellte sogar die Partnerschaft mit Trump in der "Bild" grundsätzlich in Frage: "Ein Nationalist kann kein Partner sein in einer Welt, die nach mehr und nicht nach weniger internationaler Kooperation verlangt."

Die EU-Kommission verwies darauf, dass sie bereits Ideen vorgelegt habe, wie die Europäer bei besonders wichtigen Fragen wie Handel, Verteidigung und Sicherheit gemeinsam vorankommen können. "Dabei geht es genau darum sicherzustellen, dass Europa sein eigenes Schicksal bestimmt", sagte ein Sprecher vom Kommissionspräsident Juncker.

In den USA stoßen die Äußerungen Merkels auf ein geteiltes Echo. Der demokratische Abgeordnete Adam Schiff bedauerte ein Ende der besonderen Beziehungen zwischen den USA und Deutschland. "Wenn der Präsident der Vereinigten Staaten das einen großen Erfolg nennt, tut es mir leid", sagte Schiff.

Die "New York Times" zitierte den früheren US-Botschafter bei der Nato, Ivo Daalder, mit den Worten: "Dieses scheint das Ende einer Ära zu sein, in der die USA geführt haben und Europa gefolgt ist."

Richard Haas vom Think Tank Council on Foreign Affairs beschrieb Merkels Äußerungen als eine Wasserscheide in den Beziehungen beider Staaten. "So etwas haben die USA seit dem Zweiten Weltkrieg zu vermeiden versucht", sagte Haas.

Die Kolumnistin Anne Applebaum schrieb auf Twitter: "Seit 1945 haben erst die UdSSR und dann Russland versucht, einen Keil zwischen Deutschland und die USA zu treiben. Dank Trump hat Putin es geschafft."

Weitere Infos

  • Schicksal selber in die Hand nehmen - Merkels Äußerungen im Wortlaut:

"Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei, das habe ich in den letzten Tagen erlebt. Und deshalb kann ich nur sagen: Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen - natürlich in Freundschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika, in Freundschaft mit Großbritannien; in guter Nachbarschaft, wo immer das geht, auch mit Russland, auch mit anderen Ländern. Aber wir müssen wissen, wir müssen selber für unsere Zukunft kämpfen, als Europäer, für unser Schicksal. Und das will ich gerne mit Ihnen, meine Damen und Herren."

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