Statistik Deutschland wird stark altern

Berlin · Vier Millionen mehr Rentner wird es nach Zahlen des Statistischen Bundesamts bis 2035 geben. Die weitere Bevölkerungsentwicklung hängt von der Zuwanderung ab. Der Babyboom ist schon wieder vorbei.

 Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes gibt es bis 2035 etwa vier Millionen mehr Menschen im Alter ab 67 Jahren.

Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes gibt es bis 2035 etwa vier Millionen mehr Menschen im Alter ab 67 Jahren.

Foto: dpa/Angelika Warmuth

In Deutschland gibt es immer mehr alte Menschen. Bis Mitte des nächsten Jahrzehnts steigt die Zahl der über 67-Jährigen um weitere vier Millionen an. Mit insgesamt etwa 20 Millionen Menschen in dieser Altersgruppe gehört dann jeder vierte Einwohner dazu. Grund ist die Alterung der geburtenstarken Jahrgänge, die um das Jahr 1964 herum geboren wurden. So lautet die aktuelle Bevölkerungsvorschau des Statistischen Bundesamts (destatis). Die Alterungsentwicklung ist schon heute beträchtlich vorangeschritten. „Das Durchschnittsalter der Bevölkerung war 2021 in Deutschland mit knapp 45 Jahren bereits gut fünf Jahre höher als im Jahr der deutschen Vereinigung 1990“, sagt Demografieexperte Stephan Lüken.

Der Trend zu einer immer älteren Gesellschaft wird noch länger anhalten. Erst Ende der 30er Jahre werden dann die weniger geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter kommen. Zudem ist die Lebenserwartung in den vergangenen Jahrzehnten weiter angestiegen. „Mittlerweile erreichen nicht nur viele Frauen, sondern auch deutlich mehr Männer ein Alter von 80 Jahren oder mehr“, erläutert Lüken.

Nachdem die Lebenserwartung zwischenzeitlich nur wenig angestiegen ist, erwartet das Amt durch medizinische Fortschritt sowie einen gesünderen Lebensstil ohne Zigaretten und Alkohol mal wieder eine steigende Tendenz. Das hat langfristig erhebliche Auswirkungen auf die Anforderungen an das Sozialsystem. „In den 2050er und 2060er Jahren werden dann zwischen sieben Millionen und zehn Millionen hochaltrige Menschen in Deutschland leben“, schätzt der Chef der Abteilung Bevölkerung beim Bundesamt, Karsten Lummer. Insbesondere auf die Pflege kommt damit eine gewaltige Herausforderung zu.

Von einem massiven Bevölkerungsschwund kann der Prognose der Statistiker in den nächsten Jahrzehnten nicht die Rede sein. Erstmals haben sie ihre Vorausschau bis ins Jahr 2070 ausgedehnt. Ende letzten Jahres lebten demnach 83,2 Millionen Menschen in Deutschland. Je nach Höhe der künftigen Zuwanderung rechnet das Amt in 50 Jahren mit einer Spanne zwischen 70 und 90 Millionen Einwohnern. Ohne Zuwanderung wäre die Gesellschaft allerdings schon heute auf Schrumpfkurs, weil aktuell jährlich rund 230 000 Menschen mehr sterben als geboren werden.

Regionale Unterschiede

Auffallende Unterschiede der demografischen Entwicklung zeichnen sich regional ab. In den ostdeutschen Ländern überaltert die Bevölkerung deutlich stärker als in den westdeutschen Flächenländern. Im Westen bleibt die Bevölkerungszahl vergleichsweise stabil. Ostdeutschland wird dagegen weiter Einwohner verlieren. Leben heute noch 12,5 Millionen Menschen zwischen Rostock und Zwickau, werden es 2070 wohl zwei Millionen weniger sein. Allerdings eint beide Landesteile, dass die Bevölkerung im Erwerbsalter deutlich zurückgeht. Gewinner der Entwicklung sind die Stadtstaaten. Dort leben langfristig mehr Menschen der jüngeren Generationen und die Einwohnerzahlen steigen an.

Auf der anderen Seite des Lebens, den Geburten, verzeichnet das Amt eine überraschende Tendenz. „Mit Jahresbeginn 2022 gingen die Geburtenzahlen auffällig zurück. Zwischen Januar und August wurden acht Prozent weniger Kinder geboren als im 2021. Die Geburtenziffer bleibt in diesem Jahr mit 1,46 Kindern je Frau gering. Hier rechnen die Experten in den kommenden Jahren wieder mit einem leichten Anstieg.

Warum die Geburtenzahl so stark zurückgegangen ist, können die Statistiker nicht sicher erklären. „Es ist nicht der Krieg in der Ukraine“, betont destatis-Expertin Olga Pötzsch. Eher sei das Gegenteil der Fall, weil viele schwangere Ukrainerinnen nach Deutschland geflohen sind und ihren Nachwuchs hier zur Welt brachten. Einige Erklärungen hält die Wissenschaft für wahrscheinlich. So könnten viele Kinderpläne durch die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen 2020 schon früher umgesetzt worden sein. Womöglich haben Familien nach den Anstrengungen der Pandemie mit Lockdowns, Schule zu Hause und Homeoffice Pläne für ein weiteres Kind auch aufgeschoben.

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