Interview mit Landwirtschaftsminister Christian Schmidt „Die Cop23 ist eine Riesenchance für Bonn“

Im GA-Interview spricht Landwirtschaftsminister Christian Schmidt über die derzeit stattfindende Cop23, den Klimaschutz und Glyphosat.

Christian Schmidt (CSU) ist wie seine Ministerkollegen nur noch geschäftsführend im Amt. Dennoch gibt es viel zu tun. Über seine Pläne beim Klimaschutz sprach der Bundeslandwirtschaftsminister mit Helge Matthiesen und Nils Rüdel.

Die Landwirtschaft gehört zu den Hauptverursachern von Treibhausgasen. Gleichzeitig gehört sie zu den Hauptbetroffenen des Klimawandels. Welche Veränderungen kommen auf die Landwirte zu?

Christian Schmidt: Wir müssen die Land- und Forstwirtschaft als wesentliches Element bei der Erreichung der Klimaziele ansprechen. Sie ist der einzige Sektor, der Treibhausgase speichern kann. Die Aufgabe besteht aus zwei Teilen: einerseits der Ernährungssicherung und der Bekämpfung des Hungers weltweit, andererseits aus dem Klimaschutz. Diese beiden Punkte muss man verknüpfen. Ich sage auch klar: Die Klimaziele erreichen wir nur mit der Landwirtschaft und nicht gegen sie.

Wie bringt man Klimaschutz und Nahrungssicherheit zusammen?

Schmidt: Grundlage ist, dass wir ehrlich miteinander sind und anerkennen, dass Lebensmittel nicht emissionsfrei zu erzeugen sind. Aber sie müssen möglichst klimafreundlich erzeugt werden. Das heißt, dass wir mehr Anstrengungen zum Klimaschutz unternehmen, etwa durch weniger Emissionen in der Tierhaltung, die Vermeidung von Lebensmittelabfällen oder innovative Klimaschutzkonzepte.

Was planen Sie konkret?

Schmidt: Ich habe im Rahmen der Cop23 ein Projekt angestoßen, in dem gemeinsam mit der Welternährungsorganisation der UN eine Wissensplattform ‚Landwirtschaft und Klima‘ entwickelt wird. Darin soll fragmentiertes Wissen gebündelt werden, um Entwicklungsländer bei der Anpassung ihrer Landwirtschaft an den Klimawandel zu unterstützen. Dazu habe ich mit meinem Haus einen wesentlichen Beitrag, immerhin eine halbe Million Euro, für die Plattform neu beigebracht. Die Klimaziele sind nur zu erreichen, wenn wir die bäuerlichen Familien weltweit mitnehmen. Die Plattform, unser Knowledge-Hub, wird dazu beitragen.

Was können Landwirte tun, und bekommen sie Unterstützung?

Schmidt: Was ich fördern will, ist Effizienzsteigerung. Da sind wir beim Thema Präzisionslandwirtschaft, das heißt, mit möglichst wenig Mitteleinsatz und ökologischen Konsequenzen die Landwirtschaft durch Technik voranzubringen. Wir müssen klimafreundliche Innovationen fördern. Das ist der gesellschaftliche Anspruch. Deswegen müssen wir auch denen, die den Anspruch umsetzen müssen, die ökonomische Chance geben. Innovationen dürfen nicht nur wenigen Großbetrieben offenstehen, sondern müssen gerade für kleine und mittlere Betriebe verfügbar sein, die sich keine eigene Forschungsabteilung leisten können. Diese Betriebe will ich besonders unterstützen.

Bei Effizienz denkt man an Intensivlandwirtschaft, die auf hohen Ertrag ausgerichtet ist. Wie passt das mit dem Ziel Klimaschutz zusammen?

Schmidt: Ich plädiere für eine intensivierte landwirtschaftliche Produktion. Nicht für Raubbau, sondern für eine Landwirtschaft, die konzentriert und effizient ist. Dass etwa Bio-Lebensmittel per se einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, stimmt ja so gar nicht, weil der Flächenverbrauch größer ist. Ich sehe den Ausweg in einer optimalen Nutzung der Ressourcen. Wenn wir allein die Ernteverluste durch fehlende Lagerung, Kühlung oder Transportwege reduzieren könnten, dann würden wir die landwirtschaftliche Produktion um ein Drittel reduzieren und trotzdem die Welt ernähren können.

Gehört zur Effizienz der Einsatz von Glyphosat? Das Herbizid ist hochumstritten, möglicherweise krebserregend.

Schmidt: Wenn eine wissenschaftliche Grundlage vorhanden ist, gibt es einen Anspruch auf die weitere Nutzung von Glyphosat. Nach wie vor liegen keine wissenschaftlichen Gründe dafür vor, die weitere Nutzung von Glyphosat zu untersagen.

Die EU-Länder haben erneut die Entscheidung vertagt, ob Glyphosat weiter zugelassen bleibt. Deutschland enthält sich bisher, weil Sie und SPD-Umweltministerin Hendricks uneins sind...

Schmidt: Meine Position war immer: Politik muss solche Fragen nach belastbaren Gesichtspunkten entscheiden.

Sie haben in einem Brief an die EU-Kommission geschrieben, Berlin könne einer Verlängerung für drei Jahre zustimmen. Hendricks wirft Ihnen nun „Foulspiel“ vor.

Schmidt: Ich habe der Kommission in enger Abstimmung mit unseren französischen Partnern eine Möglichkeit aufgezeigt, die Abstimmungsblockade auf EU-Ebene zu überwinden.

Auch die Grünen wollen Glyphosat verbannen. Bei den Jamaika-Verhandlungen werden Sie ohnehin noch eine Menge Spaß haben…

Schmidt: Bisher ist der Spaßfaktor überschaubar. Es gibt doch noch sehr, sehr große Unterschiede zwischen uns, gerade in meinem Bereich. Wir werden sehen, ob wir Gemeinsamkeiten finden. Das Wahlergebnis bedeutet jedenfalls nicht, dass wir um jeden Preis eine solche Konstellation eingehen.

Welche Chancen sehen Sie für die Cop23 in Bonn?

Schmidt: Die Cop23 ist eine Riesenchance. In Bonn findet zum ersten Mal eine richtige Arbeitstagung statt. Die Cop22 in Marrakesch war im Prinzip das Nachsortieren der Paris-Konferenz. Jetzt haben wir die Chance, ein Stück in die richtige Richtung voranzukommen. Herz der Verhandlungen muss sein, dass wir in Bonn über Landwirtschaft sprechen, wenn wir beim Klimaschutz nach vorn kommen wollen. Wir dürfen nicht den Fehler begehen, Landwirtschaft und Klimaschutz gegeneinander auszuspielen – sie gehören zusammen. Hier kann Bonn ein Stück positive Geschichte schreiben.

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