Großes Thema ist die Zuwanderung "Die Erneuerung muss ganz unten anfangen"

Bonn · CDU Die neue Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer will mit der Partei ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten. Die Basis will intensiv daran mitarbeiten und hat schon viele eigene Ideen.

Im April will die neue CDU-Generalsekretärin eine Zuhör-Tour starten. Bis in den Sommer hinein wolle sie ein "intensives Gespräch" mit Mitgliedern, Anhängern und interessierten Bürgern führen, kündigte Annegret Kramp-Karrenbauer in der vorigen Woche in Berlin an. Es soll der Beginn der Debatte für ein neues Grundsatzprogramm werden. Wichtig dabei sei, dass Fragen, Vorschläge und Impulse von der Basis kämen.

Dabei gehe es nicht darum, auf 300 Seiten darzulegen, mit welchen Themen sich die CDU beschäftigt, sondern um die Haltung der Partei, sagte sie im GA-Interview am Samstag.

Was hält die Basis von der Erneuerung der CDU? Wie ist die Stimmung dort? Was muss sich ändern? Gibt es schon konkrete Ideen? Der GA hat sich umgehört. Zum Beispiel bei einer Vorstandssitzung des Ortsverbands Duisdorf - mit rund 150 Mitgliedern einem der größten in Bonn. "Glücklich ist keiner von uns", sagt Enno Schaumburg, der Vorsitzende, gleich zu Beginn und meint den Koalitionsvertrag. Der Ärger darüber ist noch nicht verraucht, auch wenn die Regierung jetzt zu arbeiten begonnen hat, "zu schwammig formuliert, das Geld wird mit der Gießkanne verteilt".

Beisitzerin Veronika Stöhr hat sich in der vorigen Wahlperiode immer wieder geärgert, weil die SPD-Minister Andrea Nahles und Heiko Maas mit ihren Themen viel öfter im Fernsehen gewesen seien als die CDU-Minister. "Frau Merkel hat die immer alle machen lassen. Das darf es nicht wieder geben." Zur Erneuerung gehört für sie, dass die CDU im Regierungshandeln wieder sichtbarer wird.

Am Vorstandstisch wird munter diskutiert: Ein einfacheres Steuerrecht mit Familiensplitting wird genannt, auch der weitere Abbau der Schulden, mehr Transparenz im Gesundheitswesen und ein besserer Schutz der Rentner vor Armut. Viele Themen für die neue Wahlperiode. Doch mehr als all das bewegt die Duisdorfer Union die Zuwanderungsdebatte.

"Wir als CDU müssen uns klar werden, was wir wollen und wer zu uns kommen soll", sagt die stellvertretende Vorsitzende Sabine Kramer. Schriftführerin Birgitta Kraus fügt hinzu: "Zuwanderer müssen sich an unsere Gesetze halten und die Sprache lernen." Parallelgesellschaften müsse Einhalt geboten werden, verlangt Veronika Stöhr, und Bernhard Schekira fordert, dass andere EU-Staaten mehr Zuwanderer aufnehmen.

Ein Plädoyer für eine konservativere CDU? "Ja", sagt Schaumburg, der Vorsitzende. "Das kommt auf das Thema an", meint seine Stellvertreterin Kramer. Der 20-jährige Tillmann Verbeek hält es da eher mit Armin Laschet, der die christlich-sozialen Wurzeln der CDU gestärkt sehen will. Drei Mitglieder, drei Meinungen. Nicht nur der alte und neue Koalitionspartner SPD hat Richtungsdebatten.

Doch welche Akzente will die Duisdorfer Basis setzen im Blick auf das Grundsatzprogramm? "Sätze wie 'Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben' reichen nicht", sagt Beisitzer Bert Moll. "Die CDU muss sich kritischer mit der demografischen Entwicklung beschäftigen." Hört sich theoretisch an, ist aber konkret.

Der 54-jährige Ratsherr kennt das Thema als Referatsleiter im Bundesarbeitsministerium. "Wenn immer mehr Menschen ins System drängen und die Bevölkerungspyramide zunehmend auf dem Kopf steht, kann das Rentenniveau nicht so gehalten werden wie bisher."

Auch bei der Pflege sieht Moll Nachholbedarf: "Wir haben doch überhaupt keine Antworten darauf, wie wir damit umgehen, dass es immer mehr ältere Menschen geben wird." Solche unbequemen Wahrheiten müsse die CDU aussprechen - und natürlich Antworten geben. Im Regierungshandeln und in der Diskussion um das neue Grundsatzprogramm. An dem will man sich auf jeden Fall beteiligen.

Szenenwechsel: Während die Vorständler in Duisdorf engagiert diskutieren, gibt die Swisttaler Union im Dorfsaal von Dünstekoven ihren Frühlingsempfang. Auch Norbert Röttgen ist gekommen, der als Wahlkreisabgeordneter stets klare Mehrheiten gewonnen hat. Am Ende der Koalitionsverhandlungen hat er seiner CDU eine "inhaltliche Entleerung" attestiert und eine programmatische Neuausrichtung gefordert.

An diesem Abend spricht er von der tiefen Vertrauenskrise, in der sich die Partei befinde. Immer wieder kämen Bürger und meinten: "Wir hören zwar, was ihr sagt. Aber wir glauben euch nicht mehr." Die nach 27 Jahren aus dem Landtag ausgeschiedene Ilka von Boeselager setzt hinzu: "Man muss sich heute viel mehr anstrengen als früher, um die Stimmen der Bürger zu gewinnen. Das gelingt nur, wenn sie Vertrauen zu uns haben."

Ein wenig abseits der Bühne stehen zwei Frauen, die sich genau darum bemühen. Rita Schmitz und Dana Trimborn haben sich das Ziel gesetzt, in ihrem Wohnort Buschhoven die Bürger aufzusuchen, ihnen zuzuhören, nachzufragen, was sie sich für ihren Ort wünschen und dann diese Wünsche in der Swisttaler CDU weiter zu transportieren.

"Die Erneuerung muss doch ganz unten bei den Bedürfnissen der Bürger anfangen", sagt Rita Schmitz, die Vorsitzende des CDU-Ortsverbands Buschhoven. Ähnlich hat es Kramp-Karrenbauer in Berlin formuliert.

An einigen Themen sind die beiden Frauen schon dran: Sie wollen zum Beispiel herausfinden, ob es möglich ist, eine Frischetheke im einzigen Café am Ort einzurichten. Eine andere Frage sei, ob es die Chance gäbe, dass Krankenschwestern mit dem Bus zur Frühschicht in die Bonner Kliniken fahren können.

Bisher fährt der erste um 6 Uhr, also viel zu spät. Auch auf Jugendliche, Senioren oder junge Mütter wollen sie zugehen, nach deren Wünschen fragen und Umsetzungsmöglichkeiten prüfen. Basisarbeit als Antwort auf den Frust vieler Bürger gegenüber der Politik.

Manfred Lütz, der Vorsitzende des CDU-Gemeindeverbands Swisttal, kann von dem Frust ein Lied singen. "Viele frühere Stammwähler von uns haben doch den Eindruck, dass sich ihre Politiker um alles Mögliche kümmern, nur nicht um die eigenen Leute und ihre Sorgen", sagt der 53-Jährige. Zuwanderung, Furcht vor der Armut oder der Pflegebedürftigkeit im Alter, ob die Zinsen weiter im Keller bleiben - es sind Themen wie diese, die am Rande des Abends immer wieder zu hören sind.

Da müsste es doch für einen altgedienten Kommunalpolitiker wie Lütz, der seit gut 20 Jahren in der CDU ist, eine Wohltat gewesen sein, die neuen Ideen Kramp-Karrenbauers zu hören. Lütz legt die Stirn in Falten: "Nach außen plakative Sätze zu sagen, hilft nur dann, wenn Taten folgen. Die Dinge müssen auch angepackt werden." Da ist offenbar noch Überzeugungsarbeit der neuen Generalsekretärin nötig.

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