Interview mit Dorothee Bär „Die Frauenquote ist kein Untergang“

Interview | Berlin · Die Staatsministerin für Digitales im Kanzleramt, Dorothee Bär, hält eine Frauenquote für notwendig. Der Frauenmangel in der Bundesregierung lässt sich ihrer Ansicht nach schon in der nächsten Legislaturperiode ändern.

 „Wir befinden uns in einer absoluten Ausnahmesituation“, sagt Dorothee Bär über die Corona-Krise.

„Wir befinden uns in einer absoluten Ausnahmesituation“, sagt Dorothee Bär über die Corona-Krise.

Foto: dpa/Lisa Ducret

Die Bundesregierung ist stolz auf ihre Corona-Warn-App, aber es ruckelt noch. Können die bisher 16,4 Millionen Nutzer sicher sein, dass sie verlässlich gewarnt werden? Meine App sagt mir immer: niedriges Infektionsrisiko.

Typisch deutsch, oder? Würden Sie sich sicherer fühlen, wenn dort gestanden hätte: hohes Risiko?

Dann hätte ich gewusst, dass sie funktioniert…

Das tut sie. Es gab zwar Beeinträchtigungen bei der Hintergrundaktualisierung der App. Deshalb empfehlen wir, die App einmal täglich zu öffnen. Dadurch gehen Sie sicher, dass Sie alle Warnmeldungen erhalten. Bei so großen IT-Projekten wird es immer mal die ein oder andere Nachbesserung geben müssen. Neue Technik bringt immer neue Herausforderungen mit sich. Bei der Einführung des Navigationssystems gab es anfangs ebenfalls Probleme. Wer nur das Gerät ein- und den Verstand ausgeschaltet hat, ist dann mal im U-Bahn-Schacht gelandet. Mich ärgert daran die stellenweise Panikmache einiger Medien, wenn mehr über so etwas als über den technischen Fortschritt geredet wird.

Ok, was hat die Bundesregierung seit Einführung der App für Fortschritte gemacht?

Wir können nach wie vor sehr stolz sein, wie weit wir mit unserem Mammutprojekt gekommen sind. Wir haben mehr Downloads in Deutschland als ganz Europa zusammen. Europäische Kollegen beneiden uns, viele Länder kommen derzeit auf uns zu und wollen an unseren Erfahrungen teilhaben. Unsere App gibt es inzwischen auch auf Englisch und Türkisch, die Versionen Arabisch, Polnisch, Bulgarisch, Rumänisch und Russisch sind derzeit in der Entwicklung. Die App wurde inzwischen in den App-Stores aller EU-Länder plus der Türkei, Schweiz, Norwegen und UK freigegeben. Der für die grenzüberschreitende Nutzung der App erforderliche europäische Gateway-Server soll bis Ende Sommer aufgebaut werden, sodass entsprechende Warnungen auch grenzüberschreitend zwischen den verschiedenen nationalen Corona-Warn-Apps ausgetauscht werden können. Dazu wurde bereits eine europäische Rechtsanpassung vorgenommen. Das ist für den Reiseverkehr in Europa enorm wichtig.

Wie stehen Sie zu kostenlosen Corona-Tests für Rückkehrer aus Risikogebieten?

Das ist richtig und notwendig. Wir wollen die Zahlen gering halten und machen den Test deshalb zur Pflicht. Gesundheit darf keine Frage des Geldbeutels sein.

Aber man kann für ein paar Tausend Euro in den Urlaub fahren und sich den dafür nötigen Corona-Test von der Allgemeinheit bezahlen lassen, während andere aus Sicherheits- oder Kostengründen zu Hause bleiben.

Ich verstehe den Ansatz. Aber schauen Sie: Wir befinden uns in einer absoluten Ausnahmesituation. Wir sollten dabei nicht allein an den gutverdienenden Mallorca-Urlauber denken. Reiseverkehr findet in allen Schichten statt. Wenn wir also Geld für die Tests erheben, wird das Vermeidungspraxen nach sich ziehen. Das können wir nicht wollen. Ich sehe es so: Mit den Tests schützen wir dann ja nicht nur die Getesteten, sondern auch die ohnehin schon Vorsichts- und Rücksichtsvollen. Das ist solidarisch. Die Zahlen so gering wie möglich zu halten, sollte uns jede Anstrengung wert sein – auch jede finanzielle. Wichtig ist bei den Tests, dass sie flächendeckend zur Verfügung stehen wie in Bayern. In Bayern kann man sich übrigens auch so oft testen lassen, wie man will.

Womit wir bei der Kanzlerkandidatur wären. Schließt der Standardsatz von Ministerpräsident Markus Söder, sein Platz sei in Bayern, seine Kanzlerkandidatur der Union aus?

Markus Söder ist mit Leib und Seele Ministerpräsident und steht nicht morgens mit dem Gedanken auf, was er noch alles werden könnte. Natürlich kann man in der Politik nichts ausschließen, manchmal muss man innerhalb von Minuten auf eine veränderte Situation reagieren. Neueste Umfragen zeigen, in Bayern wollen sie Markus Söder auch behalten und nicht an Berlin abgeben. Die Frage ist aber nicht, was das Beste für einen selbst ist, sondern was das Beste für das Land und die Union ist.

Wo bleiben nach Angela Merkel die Frauen an der Spitze der Regierung? Wann gibt es die erste Bundespräsidentin und wird den Vorständen von Unternehmen eine Frauenquote auferlegt?

Die Frauenquote ist nicht der Untergang des Abendlandes. Und die Behauptung von vielen Männern stimmt auch nicht, dass es für manche Ämter, Vereine, Unternehmen, Parteien nicht genügend Frauen gebe. Oft gab es bei Wahlen in Parteien mehr Frauen als Männer. Männer haben dann daraus gemacht, dass sich Frauen stritten. Mit Blick auf die Unionsparteien kann ich Ihnen sagen: CSU und CDU haben ausreichend starke Frauen in ihren Reihen, die in einer nächsten Bundesregierung Verantwortung übernehmen könnten. Ich bin jedenfalls sehr dankbar, dass Markus Söder die Parität aktiv vorantreibt.

Was muss passieren?

Die Regierung kann das schon in der nächsten Legislaturperiode ändern. Die Ministerinnen und Minister müsse das nur umsetzen und mehr Frauen berufen. Momentan sind wir als Bundesregierung noch dabei, das Führungspositionen-Gesetz weiterzuentwickeln. Wir müssen auch Mütter stärken. Denn wer macht in Deutschland Karriere? An erster Stelle stehen Männer mit Kindern. Platz zwei: Männer ohne Kinder. Dann kommen Frauen ohne Kinder und dann die Mütter. Die Lücke zwischen Vätern und Müttern auf der Karriereleiter ist am größten. Corona hat gezeigt, dass all das geht, was berufstätige Mütter entlasten kann, bisher aber immer als unmöglich galt: Homeoffice, digitale Sitzungen, flexible Arbeitszeiten. Das müssen wir festigen und ausbauen. Und wir brauchen zusätzlich noch für Vorständinnen die Möglichkeit, Mutterschutz und Elternzeit zu nehmen.

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