Sondierungsgespräche mit Union und FDP Die Grünen setzen auf Jürgen Trittin

Berlin · Bei den kommenden Sondierungs- und eventuellen Koalitionsgesprächen könnte Jürgen Trittin einer der wichtigsten Unterhändler der Grünen werden. Seinen Kampfesgeist hat er in der Vergangenheit schon bewiesen.

 Strippenzieher: Jürgen Trittin unterhält sich in Berlin vor der konstituierenden Sitzung der Grünen-Bundestagsfraktion mit Claudia Roth.

Strippenzieher: Jürgen Trittin unterhält sich in Berlin vor der konstituierenden Sitzung der Grünen-Bundestagsfraktion mit Claudia Roth.

Foto: dpa

Es geht runter. Und es geht wieder rauf. Jürgen Trittin lebt in diesen Tagen mit der Gewissheit: Er hat wieder Konjunktur. Bei seinen Grünen – und womöglich bald auch innerhalb einer Jamaika-Koalition.

Wenn die Grünen am Freitag der kommenden Woche ihr 14-köpfiges Verhandlungsteam in die erste Sondierung mit CDU, CSU und FDP schicken, ist der frühere Bundesumweltminister mit dabei. Trittin, 63 Jahre alt, könnte für ein Zustandekommen einer solchen Jamaika-Koalition noch entscheidend werden.

Schließlich werden die Grünen einen prominenten Altlinken wie Trittin noch brauchen, wenn es darum geht, bei einer mitunter mürrischen, rebellischen und misstrauischen Basis für deren Zustimmung zu einem Koalitionsvertrag mit den politischen Gegnern von einst zu werben. Altlinks, altgrün, alternativ. Kämpferische Parteitagsreden kann Trittin. Er war von 1994 bis 1998 Parteichef. Wenn er sich wie 1996 beim Schneechaos-Parteitag von Suhl bei den Delegierten für die Wiederwahl vorstellte, genügte zur Begrüßung: „Tach, ich bin der Jürgen.“ Der Rest sei ja bekannt.

In diesen Tagen ist Trittin, zuletzt Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, Dauergast in den Polit-Talkrunden des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Im Mai betätigte er sich nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein gar als Berater von FDP-Vize Wolfgang Kubicki in Jamaika-Fragen und löste damit Unmut in den eigenen Reihen aus. Lieber Koalition mit dem Wahlgewinner CDU oder eher mit dem Wahlverlierer SPD?

Trittin: „Wenn man zwei große (Partner) zur Auswahl hat, dann nimmt man den kleineren, dann hat man mehr vom Kuchen.“ Sowohl Kubicki wie auch die Grünen nahmen dann doch lieber die CDU als Partner und segelten nach Jamaika. Die Grünen-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, Katrin Göring-Eckardt, kritisierte Trittin, musste sie da noch befürchten, dessen Äußerungen schadeten den Wahlchancen der Partei. Göring-Eckardt: „So etwas passt nicht zu uns.“

Dürreperiode überstanden

Jetzt muss es dann doch wieder passen – auch zwischen Göring-Eckardt und Trittin. Wer nach der Schlappe bei der Bundestagswahl 2013 geglaubt hatte, der damals gescheiterte Spitzenkandidat Trittin würde bald nur noch eine nachgeordnete Rolle spielen, muss dies inzwischen revidieren. Trittin hat erfahren, dass man in der Politik auch eine Dürreperiode überstehen muss.

Zum Beispiel die Zeit nach dem sogenannten „Trittin-Loch“, wie führende Grüne aus den Ländern 2013 verärgert über die von Trittin mitverschuldeten Verluste lästerten. Die Grünen waren damals mit den Spitzenkandidaten Göring-Eckardt und Trittin und einem Steuerkonzept in den Wahlkampf gezogen, das Steuererhöhungen ausgerechnet für grüne Kernwähler, die besser situierte Mittelschicht, vorgesehen hatte. Wer 60 000 Euro brutto im Jahr verdient, sollte künftig nicht mehr 42 Prozent, sondern einen Steuersatz von 45 Prozent zahlen.

Ein Gehalt ab dann 80 000 Euro aufwärts sollte sogar zu 49 Prozent an den Fiskus gehen. Die Grünen, denen lange ein deutlich zweistelliges Wahlergebnis vorhergesagt worden war, stürzten auf 8,4 Prozent. Trittin kümmerte sich fortan in der Bundestagsfraktion um Außenpolitik.

Jetzt ist der frühere Bundesumweltminister, der zu rot-grünen Regierungszeiten im Bund Schreck der Energie-Bosse bei den Verhandlungen über den Atomausstieg war, zurück im Spiel. Der Diplom-Sozialwirt wird gebraucht – auch zur Zuspitzung, wenn er CDU und CSU vorhält, sie verleugneten in der Flüchtlingspolitik „urchristliche Werte“, weil sie den Familiennachzug unterbinden wollten.

Es könnte hoch hergehen in den Sondierungsrunden. Und womöglich auch bei einem Grünen-Parteitag über Jamaika. Dann werden sie Trittin in die Redeschlacht schicken. Und dann wird den Delegierten nicht mehr genügen: „Tach, ich bin der Jürgen.“

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