Rollen sind verteilt Die Provokateure und Strategen der Jamaika-Verhandlungen

BERLIN · Gut und Böse, laut und höflich: Bei den Jamaika-Verhandlungen treten die Unterhändler in verschiedenen Rollen auf.

 Wird von FDP-Vertretern als aufmerksam und versiert beschrieben: Jürgen Trittin.

Wird von FDP-Vertretern als aufmerksam und versiert beschrieben: Jürgen Trittin.

Foto: dpa

Alexander Dobrindt ist in seinem Element und die Grünen, seine politischen Lieblingsfeinde, sollen das spüren. Er zieht genüsslich und mit Pokerface über vermeintliche „Schwachsinnstermine“ her, womit das Ende des Verbrennungsmotors 2030 gemeint ist. Dobrindt lästert, die Zeit der „Besinnungsaufsätze“ sei jetzt vorbei und räsoniert über die Verbindungen zwischen Grünen und Albträumen: „Die Nächte sind zurzeit zu kurz, um Albträume zu haben.“

Dobrindt, bis vor Kurzem als Verkehrsminister der großen Koalition auch gescholtener Bundesmaut-Minister, ist zurück in der Parteipolitik. Ein schöner Job. Endlich wieder die Stimmung anheizen, die Trommel rühren, den alten Gegner, der vielleicht bald Partner ist, aus der Reserve locken. In seiner neuen Rolle als Chef der einflussreichen CSU-Landesgruppe in Berlin muss sich Dobrindt keiner Kabinettsdisziplin mehr beugen. Wenn die Grünen aus seiner Sicht ihr Fett abkriegen müssen, dann poltert Dobrindt los.

Auch diese Sondierungsgespräche haben wie in jedem guten Theater ein breit aufgestelltes Ensemble. Gute und böse Unterhändler, Provokateure und Mediatoren, Haudraufs und stille Strategen. Dobrindt gibt den CSU-Sheriff für Recht und Ordnung gegen allzu grüne Weltverbesserungspläne. Die CDU hält sich insgesamt bedeckt. Sie hat Angela Merkel. Merkel will keine Misstöne. Sie will Jamaika – auch in ihrem Interesse.

Kubicki: mal Cowboy, mal Gentleman

Die FDP hat Wolfgang Kubicki, der in seinem Heimatland Schleswig-Holstein in diesem Sommer eine Jamaika-Koalition ausgehandelt hat. Auch Kubicki spielt seine Rolle gerne: mal Cowboy, mal Gentleman, der die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt stilvollendet mit einem angedeuteten Handkuss vermeintlich umgarnt. Göring-Eckardt kontert mit Humor: „Ich komme aus einem Tanzlehrer-Haushalt.“

Kubicki kann mit Robert Habeck, seinem Grünen-Jamaika-Kompagnon aus Kiel, er kann nicht mit Göring-Eckardt. „Wenn Habeck nach Berlin kommt, wird Jamaika wahrscheinlicher“, hat Kubicki gesagt. Kubicki, 65 Jahre, Anwalt, Weißwein-Trinker, seit gut 20 Jahren Fraktionschef in Schleswig-Holstein, gerne eine Spur zu groß und immer für einen Spruch gut. Die Grünen lästern, wenn FDP-Chef Christian Lindner und Kubicki gemeinsam auftreten, bringe Lindner seinen Anwalt gleich mit.

Trittin zurück in tragender Rolle

Die Grünen haben Habeck, der dem Vernehmen nach mit einiger Härte sondiert. Auch der ehemalige Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer, der schon zu rot-grünen Zeiten als einer der wenigen Grünen dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in Koalitionsrunden, wenn nötig, lautstark widersprach, trete mit einer gewissen Deutlichkeit auf. Und dann ist da noch Jürgen Trittin.

2013 hatte der Parteilinke und ehemalige Bundesumweltminister als Spitzenkandidat neben Göring-Eckardt das durchwachsene Ergebnis (8,4 Prozent) der Grünen mit zu verantworten. Trittin sitzt jetzt, wenn die große Runde tagt, an einem der beiden Kopfenden des Tisches. Unterhändler der FDP beschreiben ihn als höflich, aufmerksam, versiert, „gut im Film“. Kein Haudrauf, kein Provokateur, was Trittin, wenn er will, aber immer noch kann.

Ob er noch einmal Bundesminister wird? Offen. Aber er hat wieder eine Rolle, eine tragende. Und das gefällt ihm. Trittin, der grüne Bogenschütze, der seine Pfeile gezielt abschießt. Der 63-Jährige ist jetzt in der sechsten Legislaturperiode im Bundestag. Erfahren genug, um die Schiffspassage nach Jamaika zu lösen.

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