Bundesparteitag Die SPD macht sich Mut

Berlin · Ralf Stegner, der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, schaut manchmal ein bisschen griesgrämig in die Welt. Jetzt aber scheint er ein neues Rollenbild auszuprobieren - als Muntermacher einer dauerfrustrierten Partei.

Mitten in diesem jahrelangen Dümpeln um die 25 Prozent bei allen Umfragen auf Bundesebene will Stegner einen ersten kleinen Luftstoß verspürt haben. "Die politische Situation fängt an, sich grundlegend zu ändern", wittert er im Gespräch mit dieser Zeitung. Wir erleben zum ersten Mal, dass die Union beginnt, heftig an der Kanzlerin zu zweifeln."

Natürlich kann man jetzt anmerken, dass es Bände über das Selbstwertgefühl der Sozialdemokratie spricht, wenn sie Hoffnung auf eigene Erneuerung aus der Schwäche eines Konkurrenten ziehen muss. Aber gut, in schwierigen Zeiten freut man sich über jeden Zuspruch. Im Frühjahr stehen wichtige Landtagswahlen an: in Baden-Württemberg, in Rheinland-Pfalz und in Sachsen-Anhalt.

Gerade erschüttert eine Umfrage aus Sachsen-Anhalt die dortige SPD, die ihr ein Minus von sechs Prozent bei den März-Wahlen voraussagt. In Rheinland-Pfalz deutet manches auf Machtverlust hin, und im Südwesten droht die SPD in einem Wahlkampf zwischen alle Stühle zu geraten, der sich zu einem Zweikampf zwischen dem populären grünen Ministerpräsidenten und seinem christdemokratischen Herausforderer zuspitzen wird.

Am Donnerstag beginnt der SPD-Bundesparteitag in Berlin. Da kann Parteichef Sigmar Gabriel wohl mit einem guten Wahlergebnis rechnen. So viel Disziplin bringt die SPD allemal auf: Einem designierten Kandidaten fügt man keine Schlappe zu. Aber ist er wirklich unangefochten? So ziemlich jeder in der erweiterten SPD-Führung leidet unter der Wandelbarkeit Gabriels, unter seinen plötzlichen Ausbrüchen wie unter seinen unberechenbaren Schwenks.

In der Griechenland-Krise hatte er erst den Austeritätskurs der Kanzlerin gescholten, dann die griechische Regierung frontal attackiert. Bei der Vorratsdatenspeicherung hat der SPD-Chef einen Parteitagsbeschluss flott einkassiert. Im Ringen um TTIP gibt er abwechselnd den Liberalen und den Protestversteher. Wer Gabriel im Zentrum seiner Partei verortet, muss also über diese irrlichternde Sprunghaftigkeit hinwegsehen.

Gabriel selbst mag bei sich Konstanten erkennen. Die gibt es auch. Während seiner gesamten Amtszeit als SPD-Chef hat er die Partei gemahnt, Ideologie durch genaues Hinsehen auf die Lebenswirklichkeit zu ersetzen. Er will die Sozialdemokraten auf einen Kurs der Mitte verpflichten. Die SPD soll praktische Lösungen bieten, keine theoretischen Konstrukte. Insofern trägt es durchaus Gabriels Handschrift, wenn die SPD auf dem Bundesparteitag einen familienpolitischen Schwerpunkt setzen möchte. Die Partei will das Ehegattensplitting umbauen zugunsten von Paaren mit Kindern.

"Familie ist dort, wo Kinder sind", sagt Südwest-Landeschef Nils Schmid. "Wir wollen deshalb Kinder stärker fördern, indem wir das Ehegattensplitting zu einem sozial ausgewogenen Familiensplitting umbauen." Davon würden "Familien mit kleinen und mittleren Einkommen profitieren". Und vielleicht würde langfristig eben auch die SPD profitieren. Aber noch ist die Zeit nicht in Sicht, da sie wieder Kanzlerkandidaten aufstellen kann, die auch realistische Chancen haben, das zu werden, wofür sie kandidieren.

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