Kommentar zum kirchlichen Arbeitsrecht Doppelte Moral

Meinung | Bonn · Auch ein weltanschaulich gebundener Arbeitgeber muss das Privat- und Familienleben seiner Mitarbeiter respektieren und darf persönliche Entscheidungen nicht in jedem Fall zur Grundlage einer Kündigung machen.

 Entscheidung in Erfurt: Vor dem Bundesarbeitsgericht ging es gestern um das kirchliche Arbeitsrecht.

Entscheidung in Erfurt: Vor dem Bundesarbeitsgericht ging es gestern um das kirchliche Arbeitsrecht.

Foto: dpa

Das Urteil des Erfurter Bundesarbeitsgerichts zieht eine wichtige Grenze neu. Auch ein weltanschaulich gebundener Arbeitgeber muss das Privat- und Familienleben seiner Mitarbeiter respektieren und darf persönliche Entscheidungen nicht in jedem Fall zur Grundlage einer Kündigung machen. Das ist eine gute Entscheidung, war es doch bisher für Mitarbeiter katholischer Einrichtungen so, dass eine zerbrechende Ehe nicht nur ein persönliches Unglück für alle Beteiligten war, sondern zusätzlich das Risiko barg, bei Wiederheirat seinen Arbeitsplatz zu verlieren.

Dabei wurden die Betroffenen an einem moralischen Anspruch gemessen, dem die Kirche mit ihren Missbrauchsskandalen selbst nicht annähernd gerecht wird. Barmherzigkeit gegenüber einem Mann, der privat offenbar kein Glück hatte, aber immerhin ein neues fand, kam der Kirche offenbar nicht in den Sinn. Sie focht die Sache als Grundsatzangelegenheit durch – bis zur Niederlage. Offenbar mochte sie nicht von der Möglichkeit lassen, die gesamte Lebensführung ihrer Mitarbeiter unter Kontrolle zu behalten. Eine weit überzogene Vorstellung von Macht über Menschen.

Dabei muss der Kirche eigentlich klar sein, dass diese Kontrolle gar nicht funktioniert. Sie führt zu einer doppelten Moral: Nach außen wird ein Leben geführt, das es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Betroffene Menschen leben immer mit der Angst, entdeckt zu werden. Wem ist damit eigentlich gedient?

Viele Mitarbeiter, die die Kirche und konfessionelle Arbeitgeber in solche Konflikte gebracht haben, werden das Urteil als Befreiung erleben. Sie bekommen eine neue Chance. Und die Kirche hat auch etwas davon: Mitarbeiter, die man nicht zum Lügen zwingt, sind glücklicher. Und wer zufrieden ist, arbeitet meist besser mit.

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