Kommentar zum Diesel-Gipfel Drehmoment

Meinung · In der Fahrzeugtechnik beschreibt das Drehmoment die Kraft, den der Motor auf das Getriebe überträgt. Je höher das Drehmoment, desto stärker wird das Auto. Es wäre wünschenswert, wenn dieses Prinzip auch in der Diesel-Debatte wirken könnte.

Der Streit, der mit dem Berliner Gipfel seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte, könnte genug Drehmoment freisetzen, um jetzt eine wichtige Debatte anzustoßen: Wie wollen wir uns in Zukunft fortbewegen? Wie versöhnen wir individuelle Mobilität und Umweltschutz?

Der Diesel-Gipfel kann dafür nur der Start gewesen sein, denn er bietet nur kurzfristige Lösungen: Die Autobauer installieren Software-Updates, um Stickoxide zu reduzieren. Dafür bleibt ihnen das teure Umrüsten der Autos erspart. Zudem zahlen sie in einen Fonds ein, der besonders belasteten Städten helfen soll. Das ist nicht viel angesichts der dreisten Abgas-Tricks der Konzerne. VW, Audi, Porsche, Daimler und BMW können aber nun beteuern, sie hätten verstanden. Und die Politik kann sagen, man habe es den Autobossen so richtig gezeigt. Dabei steht die Aufarbeitung des Skandals noch am Anfang.

Zurück bleibt der ratlose Autofahrer. Er muss weiterhin Fahrverbote und Wertverlust für seinen Diesel fürchten und sich fragen, ob er auf den Klimakiller Benziner umsteigen soll. Deshalb dürfen sich Industrie und Politik nach dem Gipfel nicht zurücklehnen. Die Diesel-Debatte muss der Beginn einer breiten Diskussion um die Zukunft unserer Mobilität sein. Das Zeitfenster schließt sich schnell, bald werden wieder andere Themen die Agenda bestimmen. Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft sollten dieses Momentum gemeinsam nutzen.

Dazu gehört auch Ehrlichkeit. Der Diesel wird noch eine Weile gebraucht, ein massenhafter Umstieg auf Benziner wäre verheerend für die Klimabilanz. Ein einigermaßen sauberer Diesel ist technisch möglich, wenn ihn die Autobauer nur wollen - und der Kunde dafür ein paar Unannehmlichkeiten hinnimmt. E-Autos sind noch zu teuer, die Ladeinfrastruktur unzureichend, noch offen ist die Frage, wo eigentlich genug Rohstoffe für die Akkus und der grüne Strom herkommen sollen.

Aber das muss ja nicht so bleiben. Wie also wollen wir uns künftig fortbewegen? Sind willkürliche Verbotsfristen für Verbrenner sinnvoll? Ist der E-Antrieb überhaupt das einzig Wahre? Was ist mit Hybrid oder Wasserstoff? Wie kann der öffentliche Nahverkehr besser vernetzt werden? Sind wir bereit, auch kleinere Autos oder gar weniger zu fahren?

Von solchen Fragen hängen unsere Gesundheit, Unabhängigkeit und Prosperität ab. Deutschland, das Land der Spitzenautos, an deren Absatz Millionen Jobs hängen, sollte mehr Ehrgeiz im Wettbewerb um den Motor der Zukunft zeigen. Wenn die Konzerne dafür ähnlich viel Mühe und Geld einsetzen wie bei den Diesel-Tricks, können wir optimistisch sein.

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