Bürgermeisteramt in Berlin Ein Triumvirat ringt um Wowereits Erbe
BERLIN · Es wäre eine Geschichte, die so schön zu Berlin passt. Eine Geschichte, die ideal dem Bild entspricht, das die Stadt von sich selbst hat: die Metropole, die ein bisschen anders ist - bunt, überraschend, multikulturell.
Raed Saleh könnte neuer Regierender Bürgermeister werden. Er ist gebürtiger Palästinenser. Das wäre doch was: ein Araber als Gesicht der Hauptstadt. Noch dazu jemand, der zwar perfekt deutsch spricht, aber nicht frei vom Anflug eines Akzents. Saleh weiß um den besonderen Charme der Sache: "Sind wir so weit - bist Du so weit?" Mit diesem Motto versucht er, die SPD-Basis von sich zu überzeugen.
Der Platz an der Spitze der Hauptstadt wird frei. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat seinen Rücktritt angekündigt. Die Berliner Sozialdemokraten müssen klären, wer ihn ersetzen soll. Die Urabstimmung läuft. Am Samstag wird das Ergebnis der Mitgliederbefragung bekannt gegeben. Saleh ist einer der Bewerber. Der 37-Jährige ist Fraktionschef der SPD im Abgeordnetenhaus.
Er muss Mehrheiten organisieren, die Regierung stabilisieren, den Laden zusammenhalten. Nach dem Abitur hat Saleh ein Medizinstudium abgebrochen, hat sich bei einer Fast-Food-Kette zum Geschäftsführer hochgearbeitet. Er weiß, sagt er, "wie Menschen ticken, die es nicht so dicke haben". Das ist wichtig, denn viele in der Hauptstadt "haben es nicht so dicke".
Saleh hat zwei Mitbewerber. Das Trio ist seit Jahren gemeinsam, miteinander, gegeneinander im Schatten des allgegenwärtigen Wowereit unterwegs. Saleh tritt an gegen den 41-jährigen Verwaltungsrichter Jan Stöß und den 49-jährigen Michael Müller, Senator für Stadtentwicklung. Die Drei haben sich jahrelang aneinander abgearbeitet.
Saleh und Stöß haben gemeinsame Sache gemacht, als Stöß 2012 Amtsinhaber Michael Müller den Berliner Parteivorsitz wegnahm. Damals schien klar: Stöß ist der geborene Nachfolger Wowereits. Aber die Dinge sind seither nicht so glatt gelaufen. Die Parteibasis scheint nicht überzeugt, ob der Parteilinke das richtige Angebot für die ganze Stadt sein kann. Stöß ist im persönlichen Umgang gewinnend, seine öffentlichen Auftritte geraten dagegen bisweilen ein wenig holzig.
Er kann mit keinem besonderen Thema punkten. Im Zweifel scheint ihm die Konsolidierung des Haushalts nicht ganz so wichtig wie die Beseitigung sozialer Missstände. Aber da unterscheidet er sich nicht grundlegend von den Konkurrenten. Das Schaulaufen der Kandidaten wird nicht durch das inhaltliche Ringen interessant, sondern wegen der drei unterschiedlichen Typen.
Da kommt Michael Müller ins Spiel, der personifizierte Gegenentwurf zu Wowereit. Er wirkt nicht sexy und schillernd, sondern stockseriös und bieder. Müller versucht mit der Normalo-Ausstrahlung zu punkten. Sein nicht ausgesprochenes Motto: Wer bei Wahlen den Durchschnitts-Berliner ansprechen will, muss auch etwas von dieser Durchschnittlichkeit ausstrahlen. Allerdings sollte sich niemand täuschen. Müller ist mit Abstand der Erfahrenste des Trios, war jahrelang Fraktionschef, auch Parteivorsitzender, ist jetzt Senator.
Er kann Politik. Und er kann kämpfen. Als Stöß ihn vom Parteivorsitz wegputschte, galt sein Schicksal als besiegelt. Er ist immer noch da. Als jüngst die Berliner allen Ernstes dafür stimmten, die riesige Freifläche des stillgelegten Flughafens Tempelhof unbebaut zu lassen, war das die nächste Klatsche für Müller. Der Senator für Stadtentwicklung hatte vehement dafür geworben, in Teilen des Großgeländes Wohnraum zu schaffen. Auch das hat er tapfer geschluckt.
Müller ist durch und durch Pragmatiker. Die Berliner scheinen das zu mögen. In einer aktuellen Umfrage findet er die größte Zustimmung. Wird das die Sozialdemokraten in ihrem Votum beeinflussen? Die Partei liegt in der Wählergunst seit Anfang des Jahres kontinuierlich hinter der Union, dem Juniorpartner in der großen Koalition der Hauptstadt. Angeblich ist Müller inzwischen leichter Favorit des Dreikampfs. Wird es am Samstag keinen Konkurrenten geben, der eine absolute Mehrheit erringt, wird es zu einer Stichwahl kommen.