Rechtsstreit um Brennelementesteuer Ein wertvoller Sieg der Atomkonzerne

Berlin · Die Versorger gewinnen den Rechtsstreit um die Brennelementesteuer und erhalten 6,3 Milliarden Euro für ihre Atomkraftwerke zurück.

 Mitarbeiter des Kernkraftwerks Krümmel bei Geesthacht während Wartungsarbeiten neben dem Brennelemente-Lagerbecken.

Mitarbeiter des Kernkraftwerks Krümmel bei Geesthacht während Wartungsarbeiten neben dem Brennelemente-Lagerbecken.

Foto: dpa

Die deutschen Atomkonzerne können sich auf einen warmen Milliardenregen aus der Bundeskasse freuen. Das Verfassungsgericht erklärte die von 2011 bis 2016 erhobene Brennelementesteuer für nichtig. Das Finanzministerium zeigte sich zwar verwundert, dass die Karlsruher Richter der Bundesregierung keine Chance gaben, ihre Argumente in einem mündlichen Verfahren zu erläutern, will die Folgen der Entscheidung nun aber bald umsetzen: Damit fließen 6,3 Milliarden Euro an schon gezahlten Steuern zuzüglich beträchtlicher Zinsen an die Atomstromerzeuger zurück. Die Bundesregierung ist sich sicher, den Betrag ohne Kürzungen an anderer Stelle allein aus den Steuermehreinnahmen im laufenden Geschäft stemmen zu können.

Der eigentliche Zweck der zusätzlichen Milliardeneinnahme war nach Analyse der Richter zwar noch im Koalitionsvertrag von Union und FDP von 2009 enthalten, nicht mehr aber im Gesetz. Danach wollte Schwarz-Gelb von den Konzernen ursprünglich einen „Vorteilsausgleich“ für die Laufzeitverlängerung kassieren. Eine zweckgebundene Abgabe wäre wohl kaum zu beanstanden gewesen, doch die damalige Koalition steckte das Geld in die allgemeine Haushaltssanierung und erfand dafür die neuartige Brennelementesteuer von 145 Euro je Gramm, deklarierte sie als Verbrauchssteuer – und erlitt damit nun Schiffbruch.

Zwar sei der Gesetzgeber frei darin, neue Steuern zu erfinden, erklärte das Verfassungsgericht, doch nur innerhalb bestimmter „Typen“, wie es das Grundgesetz vorgebe. Verbrauchssteuern hätten Auswirkungen auf die Verbraucher beim Kauf der jeweiligen Ware, also etwa die Schaumweinsteuer, die Salzsteuer oder die Kaffeesteuer. Eon, RWE und EnBW verkauften aber keine Kernbrennstäbe, sondern Strom und klagten unter anderem wegen dieses Wettbewerbsnachteils. „Keine Verbrauchssteuern, deshalb keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes“, lautete nun die Botschaft aus Karlsruhe. Eine Minderheit der Richter hätte die Steuer akzeptiert, wenn wenigstens der Bundesrat zugestimmt hätte.

Das Finanzministerium verwies auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofes und des Europäischen Gerichtshofes, die eine Brennelementesteuer für unbedenklich hielten, räumte dann aber seine Position und akzeptierte die Entscheidung. Der frühere Atomminister Jürgen Trittin (Grüne) sprach von einer „sechs Milliarden teuren Quittung für Merkels Geisterfahrt in der Atompolitik“. Das Vorgehen „Cash gegen Laufzeitverlängerung“ sei ein „schmutziger Deal“ gewesen. „Für Schwarz-Gelb stellt sich die Amtshaftungsfrage“, sagte Trittin unserer Zeitung. Freilich ist es eher unwahrscheinlich, dass Angela Merkel oder andere damalige Kabinettsmitglieder finanziell in die Pflicht genommen werden.

„Kolossales Ärgernis“

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bezeichnete die aktuelle Rückzahlungspflicht als „kolossales Ärgernis“. Die Steuer sei „stümperhaft umgesetzt“ worden. Auch SPD-Chefhaushälter Carsten Schneider kritisierte Finanzminister Wolfgang Schäuble, der ein Gesetz „voller handwerklicher Fehler“ vorgelegt habe. „Es geht jetzt definitiv nicht, dass er die sechs Milliarden Euro aus dem laufenden Haushalt nimmt und diese dann für die Sanierung von Schulen oder den Ausbau von Kita-Plätzen fehlen“, erklärte Schneider.

Das Finanzministerium versicherte, dass kein Nachtragshaushalt nötig sei und die Rückzahlung aus den laufenden Einnahmen vorgenommen werden könne. Auch die geplanten Steuererleichterungen seien nicht gefährdet, da es sich um einmalige Belastungen des 2017er Haushaltes handele und die Steuersenkungen ab 2018 geplant seien.

Ungeklärt ist indes, wie der Fiskus mit dem Umstand umgeht, dass die Atomkonzerne die Ausgaben für die Brennelementesteuer von der Steuer absetzen konnten und damit ihre Körperschaftssteuern beträchtlich verminderten. Ein Sprecher des Finanzministeriums hielt es für unwahrscheinlich, sämtliche Steuererklärungen noch einmal zu öffnen und Neuberechnungen vorzunehmen.

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