Vorwürfe gegen den Staat Eltern von NSU-Mordopfer kritisieren das Gericht

München · Die Vorwürfe gegen den Staat beim Umgang mit den Terroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" werden immer schärfer. Auch das Gericht muss sich jetzt anhören, es habe die Verbrechen von Zschäpe und ihren beiden Komplizen nicht ausreichend aufklären wollen.

 Die Angeklagte Beate Zschäpe nimmt im Oberlandesgericht in München ihren Platz neben ihrem Anwalt ein.

Die Angeklagte Beate Zschäpe nimmt im Oberlandesgericht in München ihren Platz neben ihrem Anwalt ein.

Foto: Peter Kneffel

Emotionale Plädoyers der Eltern eines NSU-Mordopfers und massive Vorwürfe gegen die staatlichen Strafverfolger haben an diesem Mittwoch Schlussvorträge der Nebenkläger im NSU-Prozess geprägt.

Das Verfahren habe ihnen die erhofften Antworten nicht gebracht, sagten die Eltern von Halit Yozgat, der 2006 in seinem Internetcafé in Kassel mutmaßlich von den NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschossen worden war.

Einer der Anwälte der Familie, Alexander Kienzle, warf der Bundesanwaltschaft und auch dem Staatsschutzsenat des Münchner Oberlandesgerichts vor, sie hätten "mit Blick auf staatliche Mitverantwortung nicht aufgeklärt, was aufgeklärt werden konnte, sondern nur, was sich nicht vermeiden ließ". Damit sei eine "historische Chance verspielt" worden.

Kollegin Doris Dierbach bezeichnete die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und ihre beiden Freunde Mundlos und Böhnhardt als "Menschen, die ihr eigenes Leben nicht auf die Reihe bekommen" und ihre rassistische Ideologie allein aus ihren deutschen Wurzeln schöpften. Davon habe sich Zschäpe nie abgegrenzt und sei darum bis heute gefährlich.

Familie Yozgat habe nicht damit gerechnet, "gerade in diesem liberalen Land Opfer von Illiberalität und Menschenverachtung" zu werden, sagte die Anwältin. Das Mordopfer habe akzentfreies Deutsch gesprochen, für seine Ausbildung gelernt und nebenbei sein Internetcafé geführt.

Die Mutter des Ermordeten sagte, das Gericht sei ihre letzte Hoffnung gewesen. "Aber ich sehe, dass bei Ihnen auch kein Ergebnis herauskommt." Es werde der Tag kommen, "wo Allah alles aufklären wird". Yozgats Vater forderte die Richter auf, nach Kassel zu reisen und das Internetcafé in Augenschein zu nehmen. Sie würden dann feststellen, dass der Verfassungsschutzbeamte gelogen habe, der sich zur Tatzeit dort aufhielt. Der Vater sagte, er sei überzeugt, der "Agent" habe seinen Sohn selber ermordet oder den Mord arrangiert.

Yozgat war das neunte und letzte Opfer der sogenannten "Ceska"-Serie, die aus Sicht der Bundesanwaltschaft von den beiden Rechtsterroristen Mundlos und Böhnhardt verübt und von der wegen Mittäterschaft angeklagten Zschäpe unterstützt und mitgeplant wurde. Gegen Zschäpe hat die Anklage lebenslange Haft beantragt.

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