Kriminelle Gruppen Ermittler vermuten dass Banden Kindergeldbetrug planen

Düsseldorf/Krefeld. · Ein digitaler Datenabgleich brachte es ans Licht: In Krefeld wird für deutlich mehr Kinder Kindergeld gezahlt, als in der Stadt leben. Die Ermittler vermuten dahinter organisierten Betrug, der in anderen Städten noch viel größere Ausmaße haben dürfte.

 Massenhaften Kindergeldbetrug hat das Landeskriminalamt in NRW jetzt aufgedeckt.

Massenhaften Kindergeldbetrug hat das Landeskriminalamt in NRW jetzt aufgedeckt.

Foto: picture alliance / dpa/Jan Woitas

Als die Polizisten im Mai in Krefeld an den Türen sogenannter Problemimmobilien klingeln, um Meldedaten zu überprüfen, macht ihnen niemand auf. Stattdessen bekommen die Beamten von Nachbarn zu hören, dass diejenigen, die sie suchten, dort schon lange nicht mehr wohnen würden; von Kindern wüsste man auch nichts. „Wir haben zum Beispiel an einer Adresse geklingelt, wo zwei Familien mit jeweils zwei Kindern gemeldet waren, für die Kindergeld gezahlt worden ist“, sagt Thomas Jungbluth, Chefermittler für Organisierte Kriminalität beim Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen. „Von den insgesamt acht Personen fehlte jede Spur.“ So wie von insgesamt 83 Kindern und deren Familien aus Südosteuropa, die in Krefeld zu Unrecht Kindergeld kassiert haben.

Der neuen „Task Force NRW“ ist nach dem Schlag gegen das sogenannte Hawala-Banking vor einem Monat nun mit der Aufdeckung von massenhaftem Kindergeldbetrug in Krefeld der zweite große Erfolg gelungen. Auf rund 1,7 Millionen Euro schätzen die Fahnder den ermittelten Schaden.

Die erst vor einem Jahr gegründeten Eliteeinheit, die beim LKA angedockt ist und in der Finanz-, Justiz- und Innenministerium gemeinsam Finanzermittlungen durchführen, hat in Krefeld ein Modell erprobt, das künftig auch in anderen Städten in NRW Kindergeldbetrüger ausfindig machen soll. Auch Kommunen aus anderen Bundesländern hätten schon angefragt. „Die Zeiten, in denen skrupellose Kriminelle die Naivität und Gutgläubigkeit des deutschen Sozialstaates ausnutzen konnten, sind endgültig vorbei“ , sagt NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU).

Die Masche der Täter ist den Ermittlern zufolge fast immer gleich. Hinter dem massenhaften Sozialleistungsbetrug stecken in den meisten Fällen kriminelle Banden. Sie suchen in ihren Heimatstaaten (Bulgarien, Rumänien, Balkanraum) gezielt nach bitterarmen Familien mit Kindern. „Sie machen denen dann irgendwelche Versprechungen unter Vortäuschung falscher Tatsachen, um sie für eine gewisse Zeit nach Deutschland zu locken“, erklärt Reul. „Da werden die Träume und die Not der Ärmsten der Armen Europas ausgenutzt. Das ist das Perfideste und zutiefst Verachtenswerteste an dieser Masche“, sagt der Innenminister. In Städten wie Krefeld werden sie dann in Schrottimmobilien untergebracht, um eine Meldeadresse zu haben. Dann beantragen sie Sozialleistungen wie Kindergeld. Letzteres wird in Deutschland bis zum 18. Lebensjahr ausgezahlt, rund 200 Euro pro Kind im Monat.

Nach der Genehmigung werden die Kindergeldzahlungen kaum noch von den zuständigen Behörden kontrolliert. Und das nutzen die Kriminellen aus. „Diese Sozialleistungen werden dann von den Hintermännern ganz oder teilweise einbehalten“, sagt Jungbluth. Gleichzeitig werden die Kinder zum Betteln oder zum Stehlen in die Innenstädte geschickt. Die Familien bleiben nur eine bestimmte Zeit in der jeweiligen Stadt. Während sie in ihre Heimatländer zurückkehren, werden die Sozialleistungen weiter an die Hintermänner überwiesen. „Bei den Tätern handelt es sich daher auch um Opfer“, sagt LKA-Direktor Frank Hoever. Er schließt nicht aus, dass ein und dasselbe Kind mit unterschiedlichen Namen in mehreren Städten angemeldet wird. „Organisierte Kriminalität arbeitet so: Mit dem geringsten Aufwand möglichst den größten Profit machen“, erklärt der LKA-Chef.

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