Bonn - Potsdam Erst nach Mauerfall lebte Städteehe auf

BONN · Bonns ehemaliger Oberbürgermeister Hans Daniels erinnert an die schwierige Geburt der Freundschaft mit Potsdam.

Eigentlich sollte die Stadt Bonn mit Ost-Berlin, Hauptstadt der damaligen DDR, eine Städtepartnerschaft schließen. "Das kam natürlich gar nicht infrage", erinnert sich Bonns ehemaliger Oberbürgermeister Hans Daniels (CDU).

Der bald 80-Jährige ist einer der Väter der Städtepartnerschaft Bonn-Potsdam, die 1988 beschlossen wurde. Die Mauer stand noch, und Bonn war noch Bundeshauptstadt.

Daniels fällt es noch heute schwer, von dem "Botschafter der DDR" zu sprechen, wie sich der Ständige Vertreter der DDR damals nannte, der mit der Idee einer Städtepartnerschaft zwischen Bonn und Ost-Berlin an ihn herangetreten war. "Für uns gab es keine Botschafter der DDR", erklärt Daniels mit Nachdruck.

Das politische Ziel, das der Vertreter mit dieser Städtepartnerschaft verband, war den Verantwortlichen in Bonn klar: Ost-Berlin wollte quasi durch die Hintertür eine indirekte Anerkennung der damaligen DDR-Metropole als Hauptstadt erreichen. "Für die DDR-Funktionäre waren die Städtepartnerschaften ohnehin nur Mittel zum Zweck, um auf diesem Wege zu erreichen, dass die DDR als eigenständiger Staat anerkannt wurde", so Daniels.

Trotzdem wollte Daniels die Idee einer Partnerschaft mit einer Stadt in Ostdeutschland nicht aufgeben. "Wir haben im Rathaus in kleiner Runde überlegt, welche andere Stadt denn zu Bonn passen könnte und kamen eigentlich ziemlich schnell auf Potsdam." An den Grund kann er sich nicht mehr genau erinnern, nur so viel: "Potsdam war wie Bonn Residenzstadt gewesen, das hat sicherlich bei der Wahl eine Rolle gespielt."

Für Daniels und seine Mitstreiter ging es darum, Begegnungen zu Menschen der beiden Partnerstädte zu ermöglichen. "Das haben wir damals auch als Vertragsbestandteil durchgesetzt", erinnert sich der Christdemokrat. Eine Partnerschaft, so fand er damals, war ja kein Wert an sich. Sie bekomme erst dann Sinn, wenn sie zu möglichst vielen Begegnungen führe.

Dass es allerdings zunächst zu keinerlei Besuchen kam, hatte folgenden Hintergrund: Einen Tag vor der Unterzeichnung des Vertrags in Potsdam im Rahmen eines Festaktes im Januar 1988 waren in Ost-Berlin Künstler und Studenten verhaftet wurden, weil sie bei Demonstrationen die Meinungsfreiheit eingefordert hatten.

Daniels ging in seiner Rede bei dem Festakt auf die Verhaftungen vor laufenden Kameras ein. "Wir haben schmerzlich die Festnahmen erleben müssen. Wir wissen, dass die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung dafür nicht die Verantwortung trägt. Ich möchte Sie aber eindringlich bitten, dass Sie sich mit Nachdruck für die Freilassung der Verhafteten einsetzen", sagte der damalige Bonner Oberbürgermeister wörtlich.

Er habe sich im Nachhinein schon sehr gewundert, dass darauf seitens der Potsdam-Delegierten zunächst keine Reaktion erfolgte. "Man trank nach der Vertragsunterzeichnung den Sekt und prostete sich freundlich zu", erinnert er sich heute. Auch beim späteren gemeinsamen Abendessen der beiden Delegationen sei sein Potsdamer Amtskollege Wilfried Seidel mit keinem Wort auf seine Worte eingegangen, die allerdings am nächsten Tag deutschlandweit für Schlagzeilen sorgten.

Ohne Folgen blieben Daniels mutige Worte allerdings nicht: Es kam dann zu einer monatelangen Funkstille zwischen Bonn und Potsdam. Die geplante Vertragsunterzeichnung am Rhein wurde immer wieder abgesagt. Denn Daniels hatte kurz nach seiner Rede in Potsdam im Zusammenhang mit einer geplanten Südafrikareise die DDR-Oberen noch einmal vergrätzt, als er öffentlich erklärte, er trete in Südafrika genauso für die Menschenrechte ein wie in Potsdam.

Im Frühjahr 1989 kam es dann doch zur Vertragsunterzeichnung am Rhein. "Es war uns klar, dass unser Ziel, möglichst viele Bürger zusammenzubringen, nur schwer zu erreichen sein würde." Es blieb dann in der Tat in den darauffolgenden Monaten bei wenigen Begegnungen offizieller Delegationen.

Doch dann kam der 9. November. "Ich habe sofort einen Brief nach Potsdam geschrieben und vorgeschlagen, unsere Beziehungen zu intensivieren und die freie Ausreisemöglichkeit der DDR-Bürger als Chance zu nutzen, die Partnerschaft endlich mit Leben zu füllen", erzählt Daniels.

Bereits am nächsten Tag reiste er mit dem damaligen Oberstadtdirektor Dieter Diekmann an die Havel. Das Ergebnis ist bekannt: Seither ist es zu zahlreichen Begegnungen von Potsdamern und Bonnern gekommen. In beiden Städten gründeten sich Vereine, die die Partnerschaft - um die es heute, 26 Jahren nach ihrer Gründung, doch ruhiger geworden ist - in den darauffolgenden Jahren mit großem Engagement voranbrachten.

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