„Europäische Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit“ in Potsdam Erste Synagoge an staatlicher Uni

Potsdam · In Potsdam hat das „Europäische Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit seine Tore geöffnet. Erstmals in Deutschland befinden sich damit ein Studiengang jüdische Theologie, eine Synagoge und zwei Rabbinerseminare unter dem Dach einer staatlichen Universität.

 Jüdischer Gesang in Potsdam: Kantor Isodoro Abramowicz stimmt das Lied „Adonaj Schomrecha“ von Louis Lewandowski an.

Jüdischer Gesang in Potsdam: Kantor Isodoro Abramowicz stimmt das Lied „Adonaj Schomrecha“ von Louis Lewandowski an.

Foto: dpa/Soeren Stache

Es war eine festliche Prozession. Unter einem großen Baldachin trugen angehende Rabbiner die Torarollen, die in hebräischer Schrift verfassten fünf Bücher Mose, vor die Tür der kleinen, modernen Synagoge. Dort hoben der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster und Sonja Guentner, Präsidentin der Europäischen Union progressiver Juden, die Schriftrollen in den dafür vorgesehenen Schrein. Und unter den Gebeten von Rabbiner Walter Homolka und eines Kantors wurde der Toraschrank dann geschlossen. Die Synagoge des „Europäischen Zentrums Jüdischer Gelehrsamkeit“ an der Potsdamer Universität war offiziell eingeweiht.

Zu denen, die am Mittwochnachmittag die kleine Prozession verfolgten, gehörten auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Denn die in schlichtem weiß gehaltene, mit Bänken aus hellem Holz ausgestattete, bei Bedarf aber farbig beleuchtete Synagoge, die am Mittwoch in einem Nebengebäude des vom Preußenkönig Friedrich II. erbauten „Neuen Palais“ in Potsdam eröffnet wurde, ist deutschlandweit einmalig: Sie ist die einzige Synagoge an einer staatlichen Universität. Am „Europäischen Zentrum für jüdische Gelehrsamkeit“ können Studierende jüdische Theologie studieren und sich anschließend an gleich zwei Rabbinerseminaren, dem liberalen Abraham-Geiger-Kolleg und dem konservativen Zacharias-Frankel-College, zum jüdischen Geistlichen ausbilden lassen.

Absolventen aus Potsdam weltweit gefragt

Rund 80 junge Leute sind derzeit dort eingeschrieben. „Wir hatten, seit wir 2013 mit der jüdischen Theologie begonnen haben, eigentlich immer eine größere Nachfrage, als Studienplätze vorhanden waren“, sagt der Direktor des Abraham-Geiger-Kollegs, Rabbiner Walter Homolka. Mittlerweile sind die Absolventen aus Potsdam weltweit gefragt: Allein in Südafrika arbeiten vier Rabbiner aus der Brandenburger Landeshaupstadt. Weitere Absolventen gibt es in Lateinamerika, Osteuropa und natürlich Deutschland.

Doch die Einweihung des 13,5 Millionen Euro teuren, aufwendig restaurierten und um moderne Seminarräume ergänzten ehemaligen Hofgärtnerhauses wurde vom Ärger über den in Deutschland wieder aufkeimenden Antisemitismus überschattet. „Es schmerzt mich und macht mich zornig, dass sich Antisemitismus, antisemitischer Hass und Hetze in Deutschland, ausgerechnet in Deutschland, wieder offen zeigen, schon seit Jahren“, sagte Steinmeier. „Und ich wünschte, ich könnte sagen, Halle hätte zu einer Wende geführt – aber auch seither werden Jüdinnen und Juden verhöhnt, herabgewürdigt, gewaltsam angegriffen, überall in Deutschland, auch am helllichten Tag.“ Auch in der Corona-Pandemie feierten „krude antisemitische Verschwörungstheorien“ hässliche Urständ. „Das ist unerträglich!“, sagte Steinmeier. „Wir, jeder Einzelne und wir als ganze Gesellschaft dulden keinerlei Antisemitismus! Wir schauen nicht weg! Wir wehren den Anfängen im Alltag, ehe aus Worten Taten werden, und treten denen entschieden entgegen, die Hass und Hetze verbreiten.“

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nannte den Neubau dennoch einen Moment der „Hoffnung, Dankbarkeit und Zuversicht“. „Das neue Zentrum ist ein kraftvolles Zeichen für ein selbstbewusstes jüdisches Leben in unserem Land“, sagte Woidke. Es böte eine „kraftvolle Antwort auf den fortbestehenden, haßerfüllten Antisemitismus.“

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