Auswirkungen für Flughafen Köln/Bonn Der Berliner Großflughafen BER geht Ende Oktober in Betrieb

Berlin · Mit neunjähriger Verspätung soll der neue Berliner Großflughafen in einem Monat endlich in Betrieb gehen. Eine Eröffnungsparty gibt es nicht. Neue Sorgen könnte Flughafenchef Lütke Daldrup nun aber die Corona-Pandemie bereiten.

 Gigantisch in Sachen Fläche und Bau-Katastrophen: Luftaufnahme des künftigen Flughafens Berlin Brandenburg „Willy Brandt“, kurz BER.

Gigantisch in Sachen Fläche und Bau-Katastrophen: Luftaufnahme des künftigen Flughafens Berlin Brandenburg „Willy Brandt“, kurz BER.

Foto: ZB/Soeren Stache

Vierzehn Jahre nach dem ersten Spatenstich und neun Jahre nach dem ersten geplanten Eröffnungsdatum hat sich BER-Geschäftsführer Engelbert Lütke Daldrup nun darauf festgelegt, dass in einem Monat am neuen Berliner Hauptstadt-Flughafen „endlich“ die Jets starten und landen werden. Allerdings geht das Warten auf die komplette Fertigstellung einschließlich Regierungsflugbetrieb weiter und könnte noch viele Jahre dauern. Tausende Leerflüge werden die Folge sein.

Von der Überheblichkeit der  Berliner Sicht auf die Welt ist nach dem rund um den Globus belachten Flughafen-Fiasko nichts übrig geblieben. Der vom Niederrhein stammende Stadtplaner Lütke Daldrup trat nun sogar in puncto Selbstanklage die Flucht nach vorne an. Die jahrelange Verspätung habe nicht nur Berlin, sondern ganz Deutschland zur Lachnummer gemacht: „Wir deutschen Ingenieure haben uns geschämt“, gab er vor der Hauptstadtpresse zu Protokoll. Deshalb gebe es nun auch keine große Eröffnungsparty. „Wir machen einfach auf“, sagte Lütke Daldrup.

Der Bau des Flughafens wurde von Fehlern begleitet

Rückblickend sieht er ein ganzes Bündel von Fehlentscheidungen und Fehleinschätzungen bei Zeit-, Finanz- und Umplanungen. Die Pleite einer Planungsfirma hatte die ersten Terminverschiebung ausgelöst, im Mai 2012 wurde die Eröffnung wegen Problemen mit der Brandschutzanlage erneut abgesagt. Auch der dritte Anlauf zum Start wurde wegen Bedenken des neuen Technikchefs ausgebremst.

Nun war man bereits bei Ende Oktober 2013 angekommen. Horrorgeschichten über Baumängel beherrschten die Berichterstattung. Die Rolltreppen zu kurz, Regen in der Lüftung, und inzwischen könnte der neue Zentralflughafen schon bei der Eröffnung die gewachsenen Passagierzahlen nicht gestemmt bekommen. Das Chaos wuchs mit jedem neuen Planer, weil wichtige Unterlagen verschwanden. Deshalb mehrten sich die Stimmen, die nach drei Milliarden Euro Ausgaben einen Abriss und kompletten Neubau für günstiger und schneller hielten.

Fünf Jahre später sind aus ursprünglich geplanten 1,6 knapp sechs Milliarden Euro geworden. Und es werden immer noch täglich mehr. Gerade hat der BER bei den drei Eigentümern Berlin, Brandenburg und Bund weiteren Kapitalbedarf von 300 Millionen Euro allein für dieses Jahr angemeldet. Aus der Absicht, ab 2025 schwarze Zahlen zu schreiben und zügig an den Abbau der 3,5 Milliarden Schulden zu gehen, wird auch nichts. Nach 36 Millionen Fluggästen an den Berliner Flughäfen im letzten Jahr sind es in den diesjährigen Corona-Zeiten wohl nur noch zehn Millionen.

Corona macht dem Flughafenchef Sorgen

Zwar wird das Regierungsterminal am BER schon eine Woche vor dem zivilen Terminal in Betrieb genommen. Doch die Verlagerung der Flugbereitschaft dürfte noch dauern. Die Hubschrauber bleiben noch für etliche Jahre in Tegel stationiert, und das meiste Personal mitsamt Hangars und Wartung in Bonn. Das zwischen fünf Bundesministerien auszuhandelnde Projekt ist nicht einmal fertig geplant, müsste dann erst noch durch das Planfeststellungsverfahren und könnte erst danach in die Bauphase treten.

Die Empfangshalle stand zwar 18 Monate nach Baubeginn. Lütke Daldrup hält eine komplette Verlagerung der Flugbereitschaft von Bonn nach Berlin binnen fünf Jahren für möglich, schränkt jedoch zugleich ein, dass es auch „sehr viel länger“ dauern könnte. Innerhalb der Regierung wird sogar ein Zeitpunkt in den 2030er Jahren gehandelt. Deshalb werden die Regierungsjets noch viele Jahre leer zum Abholen der VIP-Passagiere nach Berlin und leer zurück nach Bonn fliegen, werden auch Reservemaschinen bei wichtigen Staatsreisen hin und her fliegen. Allein in den 13 Monaten bis April kamen so 617 Leerflüge zusammen.

Kopfzerbrechen machen dem Flughafenchef nicht nur das Corona-Problem. Auch die für einen internationalen Flughafen wie BER unerlässlichen Langstreckenverbindungen sind noch in buchstäblich weiter Ferne. Hier haben sich vor allem Frankfurt und München große Stücke des Kuchens gesichert.

Im Westen der Republik gebe es gut hundert Bewilligungen, für Berlin dagegen gerade einmal sieben, rechnet der BER-Chef vor. Dabei verweist er auf Erhebungen, wonach fast jeder vierte internationale Fluggast, der an anderen deutschen Airports landet, eigentlich nach Berlin wollte.

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