Sondertreffen zur Flüchtlingspolitik Europas Lösung heißt abschotten

Brüssel · Auch ohne Beschlüsse lässt das Brüsseler Sondertreffen zum Asyl vom Sonntag erahnen, wohin die Europäische Union jetzt steuert.

 Schwierige Gespräche: Kanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel.

Schwierige Gespräche: Kanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel.

Foto: dpa

Abschotten, zurückweisen, ausgrenzen – wird das der neue EU-Kompromiss im Asylstreit? Bei einem Sondertreffen von 16 Staats- und Regierungschefs am Sonntag in Brüssel zeichnete sich ab, dass mehr Grenzschutz und Auffangzentren für Migranten von vielen favorisiert werden. Nur Italien will das geltende Recht vollständig abschaffen.

Die Kanzlerin gab sich entschlossen: keine „europäische Lösung an diesem Sonntag“ und auch nicht beim regulären EU-Gipfeltreffen Ende der Woche in Brüssel. Aber schon in den kommenden Tagen wolle man versuchen, Absprachen mit anderen Regierungen zu treffen, um das Weiterwandern von Flüchtlingen in die Bundesrepublik zu begrenzen. Kein Wort über den Streit mit ihrem Innenminister Horst Seehofer und seiner CSU. Das blieb an diesem Sonntag anderen überlassen.

„Es geht hier nicht um die Rettung einer Kanzlerin oder die Frage, ob Angela Merkel nächste Woche noch Regierungschefin ist“, sagte der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel. „Es geht um eine europäische Lösung in der Asylpolitik.“ Und auch der österreichische Kanzler Sebastian Kurz erklärte ausdrücklich, er wolle sich „nicht in den innerdeutschen Streit einmischen“. Bei diesem Sondertreffen sollten alle Beteiligten darüber reden, „was wir jetzt gemeinsam umsetzen können“. Kurz: „Ich bin da positiv gestimmt.“

Es herrschte erste Einigkeit

Das konnte er auch. Denn obwohl an diesem Sonntag keine Beschlüsse gefasst und keine Abschlusserklärung verfasst wurden, so herrschte doch durchaus erste Einigkeit. Der EU-Küsten- und Grenzschutz soll drastisch ausgebaut und personell aufgestockt werden. Die Rede ist von 10 000 Beamten bis 2020. Immer größere Kreise zieht auch die Idee neuer Auffangzentren, in denen Zuwanderer registriert und geprüft werden sollen.

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron war einer der wenigen, der dabei an die europäischen Werte erinnerte: „Diese Werte haben uns geformt und jedes Mal, wenn wir sie verraten haben, haben wir Schlimmeres verursacht“, betonte er.

Aber er sagte auch: „Die illegale Migration muss reduziert werden – auf humane Weise und methodisch“. Macron und der neue spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez denken dabei an Einrichtungen, die innerhalb der EU aufgebaut werden. Flüchtlinge mit dort bestätigtem Asylanspruch sollten dann in die Mitgliedstaaten weiterreisen dürfen.

Die meisten anderen Staatenlenker bevorzugen offenbar das Modell von Kanzler Kurz, der solche Zentren in den nordafrikanischen Staaten sowie den Balkanländern installieren will. Dorthin sollen alle Migranten, nicht nur die auf Hoher See geretteten, gebracht werden – also außerhalb der Union.

Türkei-Deal gilt als Blaupause

Der Türkei-Deal gilt dabei als Blaupause. Das heißt: Die Partnerregierungen der Gemeinschaft bekommen Gelder, um bei sich Auffangzentren zu errichten und zu betreiben, die den humanitären und Menschenrechtsstandards der UN entsprechen. Eine Idee, die unerwartete Unterstützung erhielt: Am Sonntag traf in Brüssel ein Schreiben des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge, Filippo Grandi, ein, wie Luxemburgs Premier Bettel bestätigte. Er bot an, diese Einrichtungen unter der Verantwortung der UN zu betreiben.

Dass das nicht reicht, machte vor allem Italiens Premier Giuseppe Conte klar: Die Dublin-Regelung, nach der ein Migrant in dem Land seinen Asylantrag stellen muss, in dem er zuerst die Gemeinschaft betreten hat, müsse „komplett überwunden werden“, sagte er. Sein Zehn-Punkte-Plan läuft ebenfalls auf Transitzentren für illegale Migranten hinaus, Wirtschaftsflüchtlinge ohne Asylanspruch will Rom auf die Mitgliedstaaten verteilen, wodurch Wanderungen der Migranten zwischen den EU-Ländern zu einem geringeren Problem würden.

Am Donnerstag wird weiter beraten – zusammen mit den Staats- und Regierungschef der zwölf Länder, die am Sonntag in Brüssel fehlten.

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