Gespräch der BAPP Ex-Bundespräsident Christian Wulff zu Gast

BONN · Es ist wahrscheinlich der einzige Satz von Christian Wulff aus seiner 598 Tage währenden Zeit als Bundespräsident, der sich einer breiten Öffentlichkeit eingeprägt hat: "Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland."

 Diskussion in Bonn: Der frühere Bundespräsident Christian Wulff, Moderator Michael Krons und Akademie-Präsident Bodo Hombach.

Diskussion in Bonn: Der frühere Bundespräsident Christian Wulff, Moderator Michael Krons und Akademie-Präsident Bodo Hombach.

Foto: Barbara Frommann

Das war am 3. Oktober 2010, am 20. Jahrestag der deutschen Einheit. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Wulff-Satz inzwischen geadelt, indem sie ihn sich im Januar, nach den Anschlägen von Paris, ausdrücklich zu eigen machte: "Der frühere Bundespräsident Wulff hat gesagt, der Islam gehört zu Deutschland. Das ist so. Dieser Meinung bin ich auch." Die teils heftigen Reaktionen, die sie damit auch in der eigenen Partei auslöste, zeigen: Der Satz ist heute, in Zeiten von islamistischem Terror und Pegida-Demonstrationen, so umstritten wie vor fünf Jahren.

Und zugleich aktueller denn je: Bereits einen Tag nach der Ankündigung der Veranstaltung "Der Islam gehört zu Deutschland - eine kontroverse Debatte" der Bonner Akademie für Forschung und Lehre Praktischer Politik (BAPP), zu der Wulff gestern Abend nach Bonn gekommen war, war der Termin ausgebucht. Selbst Prominenz wie Alice Schwarzer war gekommen. Der berühmte Satz sei der "inhaltliche Kern seiner Amtszeit", stellte der Bonner Politikwissenschaftler Volker Kronenberg in seiner Einführung fest.

Ist der einst jüngste Bundespräsident nach der Affäre, die ihn das Amt kostete, und dem Freispruch in einem von vielen als maßlos empfundenen Prozess wegen Vorteilsnahme zurück auf dem Weg in die Öffentlichkeit? Jetzt steht er jedenfalls im blauen Anzug und mit dunkelrosa Krawatte in Bonn auf dem Podium, um zu erklären, was es mit dem berühmten Satz auf sich hat. Kontakt zu Muslimen, so schildert er, habe er schon als Kommunal- und Landespolitiker bekommen.

Und schon früh sei er zu der Einsicht gelangt: "Feindseligkeit gegen Zuwanderer ist dort am größten, wo es keine gibt, weil dann positive Erfahrungen fehlen." Er zitiert lange Passagen aus seiner Rede, um klarzustellen, dass er auch die Probleme angesprochen habe: Kriminalität, Bildungs- und Leistungsverweigerung. Wer Deutschland und dessen Regeln nicht achte, "muss mit entschlossenen Gegenmaßnahmen rechnen".

Mit Genugtuung ("Das macht mir Mut") zitiert er aus Artikeln in "Welt", "Welt am Sonntag" oder "Spiegel" der vergangenen Tage mit dem Tenor "Die Zukunft ist multikulti", das Zusammenleben verschiedener Kulturen sei historisch und global betrachtet eher die Regel als die Ausnahme. Mit seiner Rede habe er unter anderem die Debatte um das provokante Buch von Ex-Bundesbanker Thilo Sarrazin in positive Bahnen lenken wollen, erklärt Wulff.

Die kritischen Reaktionen aus der eigenen Partei, die Häme, die ihm seitdem bisweilen entgegenschlägt, enttäuschen ihn sichtlich. Aber anders machen würde er es nicht. "Ich bin immer noch froh, diese Äußerung gemacht zu haben", sagt er. Man müsse akzeptieren: "Unser Land verändert sich." Zugleich will er die Gefahren nicht kleinreden: Der islamische Fundamentalismus sei eine Gefahr für den Weltfrieden. "Man muss akzeptieren: Der Terror hat mit dem Islam zu tun, mit der Interpretation des Koran. Die Muslime müssen sich dieser Debatte stellen."

Und dann hat er noch eine Anekdote: Er habe als Bundespräsident zwei Einladungen gehabt, ein Gebäude zu eröffnen. Beide seien bis heute nicht fertig: der Berliner Flughafen und die Kölner Moschee. Ein einflussreicher Verleger habe gemeint, das mit der Moschee ginge doch zu weit. "Aber es wäre doch eine tolle Chance, dort mal zu sagen, was zu sagen ist. Dass wir Gleichberechtigung erwarten, das Bekenntnis zu unserem Grundgesetz, die Anerkennung unserer Rechtsordnung. Das wär doch was."

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