Ausstieg Ende 2021 wackelt Geflügelwirtschaft spielt beim Thema Kükenschreddern auf Zeit

Berlin · Die Branche der Geflügelwirtschaft ignoriert die Ansage von Ministerin Klöckner zum Ausstieg beim Kükentöten bis Ende 2021 per Gesetz. Sie will dies erst 2023 beenden.

 Küken im Stall: Die Wünsche der Branche bleiben ungehört.

Küken im Stall: Die Wünsche der Branche bleiben ungehört.

Foto: picture alliance / dpa/Sonja von Brethorst/TiHo

Das Schreiben der Geflügelwirtschaft an die „Bundesministerin Klöckner, liebe Julia“ ist ein guter Beleg für das Selbstbewusstsein der Branche. Lange ist klar, dass die Agrarministerin bis Ende 2021 einen kompletten Ausstieg aus dem Kükentöten in Deutschland anstrebt – immerhin zwei Jahre später als im Koalitionsvertrag von Union und SPD versprochen und aus ethischen Gründen längst überfällig. Mit ihrem französischen Amtskollegen hatte die CDU-Politikerin dazu Anfang des Jahres einen gemeinsamen, unmissverständlichen Anstoß geben wollen, damit sich in ganz Europa etwas bewege. Denn eines der Gegenargumente lautet immer, dass bei einem deutschen Alleingang die heimische Wirtschaft das Nachsehen habe und Eier aus Ländern mit weniger Tierschutz importiert werden würden.

Am 9. Juni bekam die Ministerin aber eine E-Mail des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft. In dem unserer Redaktion vorliegenden Schreiben wird Klöckner als Chefin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) um Akzeptanz einer Formulierung für eine – freiwillige - Branchenvereinbarung zwischen Lebensmitteleinzelhandel und Geflügelwirtschaft gebeten, nach der es erst 2023 keine Eier mehr im Handel geben soll, die im Zusammenhang mit dem Töten männlicher Küken stehen. Wenn überhaupt.

Darin heißt es: „Mit dieser Branchenvereinbarung verpflichten sich die beteiligten Kreise aus Wirtschaft und Handel, den bereits eingeleiteten Prozess des schrittweisen Ausstiegs aus dem Töten von Hahnenküken mit der notwendigen Breitenwirkung konsequent fortzuführen. Ziel ist es, dass spätestens ab dem 1. Januar 2022 zur Belieferung des deutschen Lebensmitteleinzelhandels mit Eiern aus allen zugelassenen Haltungsformen nur noch Küken in Aufzuchtbetriebe eingestallt werden sollen, von denen nach dem Schlupf kein Bruderhahnküken mehr getötet wurde (kükentötenfreie Lieferkette).“ Damit handelt es sich um eine Sollbestimmung. Weiter heißt es im Text: „Unter Berücksichtigung der üblichen Legeperiode wird damit in der Folge der Mengenanteil von Eiern aus kükentötenfreien Lieferketten schrittweise steigen, sodass spätestens ab dem 1. Juli 2023 bei ausreichender Warenverfügbarkeit die Umstellung des Eierangebots im Lebensmitteleinzelhandel erfolgt ist.“

Das hört sich bereits jetzt wie ein Fallstrick an: „bei ausreichender Warenverfügbarkeit“. Das könnte später zur Begründung herhalten müssen, dass es eben doch noch nicht gehe, auf das Kükenschreddern zu verzichten.

Die gewünschte Branchenvereinbarung hat aber einen noch schwerwiegenderen Haken. Denn es gibt inzwischen ein – bei der Erforschung von der Bundesregierung unterstütztes – Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei. Damit kann frühzeitig festgestellt werden, ob es sich um Hahn oder Henne handelt, und auf das Ausbrüten der männlichen Eier verzichtet werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte vor gut einem Jahr das Töten von männlichen Küken als „tierschutzrechtlich nur noch übergangsweise zulässig“ erklärt – aber eben noch nicht gestoppt, weil die Verfahren noch keine Marktreife hatte. Dabei könnten die Verbraucher auf Eier mit Kükentöten längst verzichten, wenn sie für ein paar Cent mehr die Aufzucht von Hähnchen, die „Bruderhahnmast“, mitfinanzierten.

In der Mail an Klöckner heißt es aber zu einer längeren Übergangsfrist: „Dies ist notwendig, weil Verfahren mit einem früheren Geschlechtsbestimmungszeitpunkt als vor dem 8. Tag weltweit noch nicht praxisreif sind. Zudem lässt sich in Deutschland die Bruderhahnmast als Lösungsbeitrag kurzfristig nicht in einer Größenordnung von 30 Millionen Mastplätzen realisieren.“ Aldi hat unterdessen einen Ausstieg bis 2022 angekündigt.

Klöckner, die wegen ihrer Fristverlängerung für die betäubungslose Ferkelkastration stark kritisiert worden war, will nach Informationen unserer Redaktion diesmal hart bleiben. Sie hat auch bereits kundgetan, dass sie ein Gesetz zum Ausstieg aus dem Kükentöten ab Ende 2021 erarbeiten lässt. Sie rechne nicht mit einer Klage gegen ein Verbot, weil das Bundesverwaltungsgericht die Übergangszeit nur aus Mangel an Alternative erlaubt habe. Die Alternative sei jetzt da, heißt es im Landwirtschaftsministerium.

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