Finanzausgleich in Nordrhein-Westfalen Gericht: NRW darf den Kommunal-Soli erheben
Düsseldorf · Das Land Nordrhein-Westfalen darf den Kommunal-Soli erheben. Das entschied das höchste Gericht in Münster und wies eine Klage zurück. Finanzkräftige Gemeinden müssen jährlich 91 Millionen Euro Umlage zahlen
Ralf Jäger federte am Dienstagmittag leichtfüßig durch die Lobby des Innenministeriums und amüsierte sich köstlich, als ausgerechnet das Handyklingeln seines eigenen Kommunikationschefs die konzentrierte Stille der Pressekonferenz störte. Jäger konnte offenbar nichts mehr die Laune verderben, nachdem am Morgen der NRW-Verfassungsgerichtshof dem Innenminister um eine wichtige Klippe seiner Amtszeit geholfen hatte.
Das höchste Gericht in Münster hatte die Verfassungsbeschwerde von 72 Städten und Gemeinden gegen Jägers Kommunal-Soli zurückgewiesen. Kommunen mit Haushaltsüberschüssen müssen nach dem Willen der Landesregierung pro Jahr 91 Millionen Euro aufbringen, um den „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ mitzufinanzieren. Damit werden 61 überschuldete oder von Überschuldung bedrohte Kommunen seit 2012 unterstützt, um bis spätestens 2021 zu einem Stadthaushalt ohne neue Schulden zu kommen. Das Prinzip: Hilfszahlungen gegen Sparauflagen.
Das Verfassungsgericht habe festgestellt, dass die 2014 eingeführte Solidaritätsumlage „verfassungsgemäß und gerecht“ sei, freute sich der SPD-Politiker. Nach vielen schweren Niederlagen in Münster hatte Rot-Grün endlich wieder vor den Richtern bestanden. Der insgesamt mit 5,8 Milliarden Euro ausgestattete Stärkungspakt Stadtfinanzen werde hauptsächlich vom Land gestemmt, doch ein kommunaler Solidaritätsbeitrag sei unverzichtbar, so Jäger. Es werde bei vergleichsweise finanzkräftigen Kommunen bloß ein Viertel der Haushaltsüberschüsse abgeschöpft.
„Die juristische Bewertung ist von uns zu akzeptieren, doch was politisch sachgerecht wäre, steht auf einem ganz anderen Blatt“, ärgerte sich der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Bernd Jürgen Schneider. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Düsseldorf monierte, dass mit dem Kommunal-Soli ein völlig falsches Signal gesetzt werde: „Erfolgreiche Sparanstrengungen in Gemeinden sowie eine ansprechende kommunale Wirtschaftspolitik werden von der Landesregierung nicht honoriert.“ Viele Bürgermeister wollen nun zum Bundesverfassungsgericht ziehen.
Im vergangenen Jahr gehörte die kleine Stadt Monheim mit 22,6 Millionen Euro zu den Spitzenzahlern des Kommunal-Soli. Bürgermeister Daniel Zimmermann von der Jugendpartei Peto hat dort seit 2009 mit niedrigen Gewerbesteuern und vielen zündenden Ideen aus einem Nothaushalt-Kandidaten eine boomende Gemeinde gemacht. Düsseldorf (18,9 Millionen Euro) und Ratingen (5,4 Millionen) bittet das Land mit dem Kommunal-Soli ebenfalls kräftig zur Kasse. Größte Empfänger des Stärkungspakts Stadtfinanzen waren zuletzt Wuppertal (60 Millionen Euro), Duisburg (52,9 Millionen) und Oberhausen (52,7 Millionen).
Die Präsidentin des Verfassungsgerichts, Ricarda Brandts, machte bei allem Ärger in vielen Rathäusern über die Umverteilungsmaschine deutlich, dass das Land nicht gegen die verfassungsrechtlich geschützte kommunale Finanzhoheit verstoßen habe. Die Umlage fließe schließlich „in den kommunalen Raum zurück“ und schütze in besonders klammen Städten damit auch die „kommunale Selbstverwaltungsgarantie“.
Die Landesregierung will 2017 eine dritte Stufe des Stärkungspakts starten. Finanziert wird das Programm aus überschüssigen Mitteln des bisherigen Stärkungspakts. Teilnehmen sollen Städte, die bis 2015 akut von Überschuldung bedroht waren. Dazu gehören nur noch Mülheim, Lünen, Heiligenhaus, Alsdorf und Laer. Die Opposition spottete über eine „Lex Mülheim“, eine Sonderregel für die Heimatstadt von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).