Interview mit Wolfgang Kubicki "Gesetze gegen jedermann durchsetzen"

BONN · Die Menschen dürfen nicht das Gefühl haben, dass durch Zuwanderung die innere Sicherheit gefährdet wird, mahnt Wolfgang Kubicki. Mit ihm sprach Norbert Wallet.

 Kugelschreiber mit dem FDP-Hamburg-Logo: Sollte die FDP am 15. Februar wieder in die Bürgerschaft einziehen, werde sich die mediale Stimmungslage bundesweit sofort drehen, glaubt Wolfgang Kubicki.

Kugelschreiber mit dem FDP-Hamburg-Logo: Sollte die FDP am 15. Februar wieder in die Bürgerschaft einziehen, werde sich die mediale Stimmungslage bundesweit sofort drehen, glaubt Wolfgang Kubicki.

Foto: dpa

Herr Kubicki, ein Jahr ist die FDP nicht mehr im Bundestag - und so richtig vermisst sie niemand - oder?
Wolfgang Kubicki: Ich wundere mich auch, dass die Welt noch existiert, obwohl wir nicht mehr im Bundestag sind. Im Ernst: Die Stimmung in der Bevölkerung ist seit einem Jahr in etwa konstant. Den Leuten geht es nicht schlecht, der Wirtschaft auch nicht - da kommt noch kein Wechselwunsch auf.

Was wäre denn im vergangenen Jahr mit einer FDP-Regierungsbeteiligung anders gelaufen?
Kubicki: Da nenne ich zunächst mal die Außenpolitik. Im Verhältnis zu Russland hätten wir uns darum gekümmert, dass der Konflikt nicht dauernd eskaliert wird. Frank-Walter Steinmeier macht eine vernünftige Außenpolitik, sein Bemühen begrüße ich außerordentlich. Deutschland hat eine Mittlerfunktion gegenüber dem Osten und ist in einer besonderen Verantwortung. Mit Säbelrasseln und weiteren Drohgebärden wird der Konflikt nur verschärft. Hans-Dietrich Genscher hatte sich selbst in Zeiten des Kalten Krieges immer darum bemüht, noch so zarte Gesprächsfäden aufzunehmen und weiterzuspinnen. Im Klartext: Wir hätten uns massiv dagegen verwahrt, dass die Nato Truppen an der polnischen Ostgrenze stationiert. Das kann aus russischer Sicht jedenfalls nicht als Friedensangebot verstanden werden.

Und in der Innenpolitik?
Kubicki: Wir hätten ganz eindeutig bei der Rente mit 63 und der Mütterrente auf die Bremse getreten. Diese vielen Milliarden, die in den Jahren aufwachsen, hätten wir lieber in Zukunftsinvestitionen gesteckt - für Verkehrswege und Bildung. Das ist die Grundlage künftigen Wohlstands. Wenn die Regierung heute sagt, der Soli werde weiter gebraucht, um in die Infrastruktur zu investieren, ist das eben nicht die Wahrheit: Die Bundesregierung benötigt ihn, um ihre Rentenversprechen halten zu können.

Allerdings ruft heute kaum jemand nach Steuersenkungen, und die Konsolidierung kommt voran - es scheint, als hätten klassische FDP-Themen keine Konjunktur.
Kubicki: Dass heute die Konsolidierung tatsächlich vorankommt, liegt wesentlich an der Arbeit der FDP in den Jahren 2009 bis 2013, in denen Grundlagen gelegt wurden. Solche Erfolge stellen sich ja nicht von heute auf morgen ein. Da soll sich niemand mit fremden Federn schmücken. In unserer Regierungszeit wurde die Schuldenbremse eingeführt - auch auf Länderebene. Das Thema "kalte Progression" ist von der FDP auf die Tagesordnung gesetzt worden. Und Steuervereinfachungen sind nötig, um der Wirtschaft Luft zum Atmen zu geben.

Der Protest gegen die große Koalition sammelt sich dennoch anderswo - etwa bei der AfD.
Kubicki: Die FDP ist mit Sicherheit keine Protestpartei. Dennoch wissen die Menschen genau, ob Parolen wirklich tragfähig sind. Sie wissen, dass Wohlstand erst erarbeitet werden muss, bevor man ans Verteilen gehen kann. Es gibt durchaus eine Sehnsucht nach einer Partei, die das in Erinnerung ruft.

Ist die AfD nicht dennoch medial so dominant, dass die FDP dahinter kaum erkennbar wird?
Kubicki: Die AfD ist keine Konkurrenz der FDP. Die Überschneidung unserer Wählerschaften liegt bei höchstens fünf Prozent. Die AfD ist eben alles andere als eine liberale Partei. Wir haben nichts gemein mit Menschen, die homophob und ausländerkritisch sind und aus dem Euroraum austreten wollen. Die AfD sammelt vor allem im Osten viele Protestwähler auf, die sich als Verlierer empfinden.

Auch Pegida entwickelt sich zu einem Sammelbecken des Protests.
Kubicki: Es fällt ja auf: Dresden hat einen ganz geringen Ausländeranteil und kaum Muslime - dennoch hat dort Pegida Fuß gefasst. Ich würde die Pegida weder mit der AfD noch mit Rechtsradikalen gleichsetzen wollen. Da tummeln sich fraglos auch Rechtsradikale. Aber der größte Teil der Menschen hat offensichtlich Sorge.

Wovor?
Kubicki: Davor, dass bei einer weiteren Aufnahme von Flüchtlingen Konflikte, die sich bislang außerhalb unserer Grenzen abgespielt haben, in unser Land getragen werden. Oder davor, dass sich rechtsfreie Räume ergeben, wenn Polizei und Verfassungsschutz erklären, sie seien schon von ihrer personellen Ausstattung her nicht hinreichend in der Lage, zum Beispiel nach Deutschland zurückkehrende IS-Kämpfer zu überwachen. Ich kann schon verstehen, dass Menschen dagegen auf die Straße gehen. Sie wollen nicht akzeptieren müssen, dass sie beim täglichen Einkauf oder beim Kaffeehausbesuch Sorge vor Attentaten oder - wie jüngst in Sydney - Geiselnahmen haben müssen. Ich will übrigens auch nicht akzeptieren, dass ich in Deutschland Menschen begegne, deren Gesicht ich nicht erkennen kann.

Sie sind für ein Burka-Verbot?
Kubicki: Wir können doch nicht sagen, dass es eine Ordnungswidrigkeit ist, wenn bei einer Demo ein Motorradfahrer seinen Helm aufsetzt, und andererseits eine Komplettverschleierung als kulturelle Eigenheit zu akzeptieren ist. Entweder gelten Gesetze für alle oder gar nicht. Als Rechtsstaatsliberaler durch und durch will ich auch nicht hinnehmen, dass wir in Deutschland Parallelgesellschaften erlauben, bei denen Kinder in andere Länder geschickt werden, um dort zwangsverheiratet zu werden, oder Frauen von ihrer Wertschätzung her weniger Wert sind als der Hund oder der Esel. Wer will, dass Gesetze Geltung haben, muss sie gegen jedermann durchsetzen.

Wie ist also Ihre politische Handlungsempfehlung im Umgang mit Zuwanderung?
Kubicki: Wir brauchen eine Willkommenskultur. Aber die wird nur dann entstehen, wenn die Menschen gleichzeitig das Gefühl haben, dass die innere Sicherheit nicht durch Zuwanderung gefährdet wird.

Frau Merkel hat in ihrer Kölner Parteitagsrede gesagt, die FDP bleibe der Wunschpartner der Union. Glauben Sie ihr?
Kubicki: Sie hat erklärt, dass sie nicht verstehen könne, warum manche Menschen die FDP abschrieben. Ich kann nur sagen, sie ist eine kluge Frau mit Weitsicht. Ich habe mich gefreut über die Aussagen. Sie sind ihr ja nicht von der FDP aufgeschrieben worden. Die hat sie freiwillig gemacht.

Woran entscheidet sich bis 2017 das Schicksal der FDP - sind es die Landtagswahlen in NRW und Baden-Württemberg?
Kubicki: Hamburg ist wichtig für uns. Das ist eine weltoffene und liberale Stadt. Wenn wir in die Bürgerschaft einziehen, wird sich bundesweit die mediale Stimmungslage sofort drehen.

Was wird die Kernbotschaft zu Dreikönig in Stuttgart sein?
Kubicki: Zunächst wird es schon optisch einen anderen Auftritt als den gewohnten geben. Und wir werden Botschaften ins Land senden, bei denen viele sagen werden: Toll - das ist die FDP, wie wir sie uns wünschen.

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