Ein Buch zur Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik Große Linien mit Blick fürs Detail

BONN · Michael Bohnet gehört zweifellos zu den prägenden Figuren der deutschen Entwicklungspolitik, seit der promovierte und habilitierte Volkswirt 1978 die Leitung der Planungsgruppe des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung übernahm.

 Michael Bohnet

Michael Bohnet

Foto: UTB

In den 90er Jahren war er zentraler Verhandler bei den acht großen Weltkonferenzen, darunter die Weltumweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992, im Ministerium war er zuletzt Abteilungsleiter und stellvertretender Staatssekretär, bevor er 2002 in den Ruhestand ging. Wirklich losgelassen hat ihn die Entwicklungspolitik freilich nicht: Jetzt hat Bohnet, der seit 1994 auch Professor an der Universität Duisburg war, ein bemerkenswertes Buch mit dem schlichten Titel "Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik" vorgelegt.

Bemerkenswert ist das Buch nicht nur, weil Bohnet anders als traditionell üblich die unterschiedlichen Strömungen der Entwicklungspolitik nicht an vier Dekaden festmacht, sondern 14 Phasen differenziert, die den 13 Ministern und den "mühseligen" Anfangsjahren zugeordnet sind. Ungewöhnlich ist auch, dass er seine eigene Beschreibung und Bewertung jeder Minister-Phase durch 40 knapp gehaltene, oft sehr persönliche Bemerkungen von Zeitzeugen zur Arbeit der Ressortchefs ergänzt.

"Es gibt kein vergleichbares Werk, das die gesamte Phase der deutschen Entwicklungspolitik von den Anfängen bis in die aktuelle Gegenwart aufzeigt", lobte Dirk Messner, Direktor des Deutschen Institut für Entwicklungspolitik, die Publikation kürzlich bei der Vorstellung in Bonn. Bohnet habe die Gabe, große Linien zu ziehen und zugleich den Blick auf kleinste Details zu werfen. Sein Buch zeige auch, dass Entwicklungspolitik oft Laboratorium und Experimentierfeld für andere Ressorts sei. So seien Partizipation und Teilhabe in der Entwicklungspolitik schon alltägliche Praxis gewesen, als sie in anderen Ressorts noch diskutiert wurden.

Bohnet weiß um die Grenzen der Entwicklungszusammenarbeit, beschreibt sie als "Katalysator für Problemlösungen", die eine "Anstoßwirkung" liefert. Ihre Erfolge seien aber vor allem den Eigenanstrengungen der Entwicklungsländer zuzuschreiben. Erfolge sieht er besonders im Bildungsbereich (90 Prozent aller Kinder in Entwicklungsländern besuchen heute die Grundschule), bei der Aids-Bekämpfung, im Kampf gegen Tuberkulose und Malaria. Als größte Misserfolge nennt er etwa die Stagnation bei der Bekämpfung des Hungers und die Rückschläge bei der Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit, etwa die fortschreitende Zerstörung der Wälder, den Verlust der Artenvielfalt, die Zunahme der Treibhausgasemissionen.

Und die Zukunft? Bohnet plädiert unter anderem dafür, fragile und von bewaffneten Konflikten betroffene Länder zum Schlüsselbereich der Entwicklungszusammenarbeit zu machen. Und für längst überfällig hält er die Zusammenlegung der technischen und personellen Zusammenarbeit mit der finanziellen, also der GIZ mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau.

So manches Zitat macht das lehrreiche Buch auch zu einem amüsanten: So machen Äußerungen von Helmut Schmidt unmissverständlich klar, was der damalige Bundeskanzler von Entwicklungspolitik hielt: Als Egon Bahr Minister wurde, sagte er: "Mach, was du für richtig hälst, aber möglichst wenig Ärger." Und Rainer Offergeld begrüßte er mit den Worten im Amt: "So, jetzt bist du Entwicklungsminister, jetzt will ich aber auch nichts mehr davon hören."

Bohnet, Michael: Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik, utb 2015. 284 S., 17,99 Euro

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