Kommentar zur Erbschaftssteuer Gut für den Mittelstand

Meinung | Berlin · Dass die Koalition erst kurz vor Ablauf der vom Verfassungsgericht gesetzten Frist zur Neuregelung des Erbschaftsteuerrechts eine Lösung präsentiert, ist kein Ruhmesblatt.

Bundestag und Bundesrat werden nicht umhinkommen, das Gesetz im Schnelldurchlauf zu beschließen. Gravierender als der Zeitverzug ist der Eindruck, den das Feilschen um Einzelheiten hinterlässt: Die Koalition wirkte zuletzt orientierungslos. Mal wurden Verbesserungen, mal Verschlechterungen beschlossen. Fragwürdig auch die Rolle der Länder, denen die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer zustehen. Sie fielen durch sinnvolle Vorschläge kaum auf.

Sicher ist, dass das Gesetz zu neuen Steuergestaltungen führen wird. Erben großer Familienunternehmen müssen bei Übergabe des Betriebs nur Steuern zahlen, wenn sie über Privatvermögen verfügen. Das wird Reaktionen auslösen. Andererseits setzt die Politik so Anreize: Wer das ganze Vermögen in den Betrieb steckt, zahlt keine Erbschaftsteuer. Die Politik muss schwierige Abwägungen treffen. Sie soll die Vorgaben des Verfassungsgerichts einhalten, ohne damit die hierzulande wichtigen Familienunternehmen vor den Kopf zu stoßen. Das kommt einer Quadratur des Kreises gleich. Wie anspruchsvoll die Aufgabe ist, zeigt sich daran, dass die Richter das Erbschaftsteuerrecht seit den 90er Jahren dreimal korrigiert haben. Im Dezember 2014 bemängelten sie, dass die Ausnahmen für Betriebsvermögen zu großzügig sind. Häufig wird übersehen, dass Karlsruhe nicht nur Privilegien für große Familienunternehmen monierte, sondern auch Vergünstigungen für Kleinbetriebe. Das Korrekturgesetz soll die Mängel beseitigen.

Entscheidend für die Familienunternehmen und damit den Standort Deutschland ist nicht, ob das Gesetz einen Schönheitspreis erhält. Für den Mittelstand kommt es darauf an, ob er mit den Regelungen leben kann. Das ist der Fall. Die Koalition hat auf das Wesentliche geachtet. Bestätigt dies im Umkehrschluss die Kritiker, die sagen, Milliardäre würden geschont? Erstaunlich ist, wie sich der Blick der Öffentlichkeit verengt hat. Bei der Reform 2008 war noch unumstritten, dass die Änderung des Erbschaftsteuerrechts keine Arbeitsplätze gefährden darf. Dieser wichtige Aspekt wird gern übersehen, was daran liegt, dass in Zeiten des Aufschwungs die Sicherheit von Arbeitsplätzen selbstverständlich erscheint. Klar ist, dass eine hohe Steuerbelastung Folgen für die Investitionsfähigkeit von Unternehmen hätte. Das erkennt auch das Gericht an. Dass Deutschland seine Firmenerben auch künftig vergleichsweise milde besteuert, ist richtig. Für die Familienunternehmen sind daraus Vorteile erwachsen, von denen die Beschäftigten profitieren. Gerade Familienunternehmen verfügen über hohe Kapitalpolster, um im In- und Ausland wachsen zu können. Um diese Stärke wird Deutschland beneidet. Es wäre falsch, hier die Axt anzulegen.

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