Pegida-Demonstration Hart, zornig, radikal

Dresden · Die Pegida-Basis spricht in Dresden eine klare Sprache - die Organisatoren geben sich hingegen gemäßigt.

 Deutschland-Fahnen und ein Merkel-Plakat, das die Bundeskanzlerin mit Kopftuch zeigt: Pegida-Demonstration am Montagabend in Dresden.

Deutschland-Fahnen und ein Merkel-Plakat, das die Bundeskanzlerin mit Kopftuch zeigt: Pegida-Demonstration am Montagabend in Dresden.

Foto: dpa

Da ist er wieder, dieser Ruf, der zum Erkennungsmerkmal von Pegida geworden ist. "Wir sind das Volk". Auch am Montagabend ertönt er laut und herausfordernd aus zigtauend Kehlen. Stimmt das? Elf Pegida-Demonstrationen in Dresden seit November. Und immer diese Parole: selbstbewusst, unwidersprochen. Am Wochenende hatte sich dann ein anderes Volk gemeldet. 35 000 Dresdner hatten vor der Frauenkirche das andere Gesicht der Elb-Metropole gezeigt.

"Wir sind Dresden" stand auf den Plakaten und "Dresden für alle". Den Spruch pinseln gestern auch die Studenten der Kunstakademie an ihre Fenster - zweisprachig: deutsch und arabisch. Soll jeder die Botschaft lesen, der zur Pegida-Demo kommt. Zum zwölften Mal Reden, Banner und Fahnen gegen die angeblich drohende Islamisierung des Abendlandes. Fast könnte sich Routine einschleichen. Gewiss nicht diesmal. Nicht an diesem Montag, der ersten Demo nach dem schrecklichen Attentat auf Charlie Hebdo. Und am Tag nach der gewaltigen Pariser Kundgebung gegen Terror und Gewalt, aber auch für eine weltoffene, liberale Gesellschaft. Verwirrend. War der Anschlag nun eine Bestätigung für die Warnungen von Pegida? Oder war die mächtige Kundgebung nicht der Sieg der Toleranz gegenüber Ausgrenzung und Fremdenangst?

Der Zulauf zu Pegida ist ungebrochen, aber gebrochen ist die Stimmung, irgendwie zwiespältig. Es kommen zwar mehr denn je - 25.000, so schätzt die Polizei - aber es gibt auch neue Töne. Man will nicht in die Scharfmacher-Ecke gestellt werden. Auffällig, wie sehr die Redner ihre Toleranz betonen.

Nicht nur die Anschläge in Paris, auch der "christliche Fanatismus" eines Anders Breivik, der 2011 insgesamt 77 Menschen in den Tod riss, sei doch "ein Beleg für die Daseinsberechtigung von Pegida", für ihren Kampf "gegen jede Art von Fundamentalismus und religiösen Fanatismus", sagt Lutz Bachmann, der Kopf der Bewegung. Man sei doch gar nicht gegen Muslime. Jeder auf dem Platz kenne Muslime aus der Nachbarschaft. Auch sie verurteilten die Anschläge, den Terror. Deshalb seien auch sie "eingeladen und willkommen bei uns".

Pegida steht mitten in der Gesellschaft. Das sagt das Podium. Aber "das Volk" steht unten und hat so seine eigene Meinung. "Das System ist das Problem" steht auf einem riesigen Transparent. Es geht noch drastischer: "Islam = Karzinom" kann man lesen. Oder: "Volksverräter und Wirtschaftsflüchtlinge raus", "Überfremdung stoppen", und auch das: "2035: Deutsche in der Minderheit". Eine kühne These angesichts eines Ausländeranteils in Sachsen von um die drei Prozent. Auf einer großen Fotomontage ist die Bundeskanzlerin zu sehen - im Kopftuch. Ein anderes Schild verkündet noch deftiger: "Frau Merkel, Sie können uns mal." Immerhin: Islamkritische Karikaturen sind nicht zu sehen. So viel Provokation soll dann doch nicht sein.

Das ist alles viel härter, viel zorniger, viel radikaler. Die offizielle Botschaft ist eine andere. Man habe viel erreicht, sagt Bachmann. "Nach 50 Jahren Totschweigen" würde das Thema Zuwanderung endlich politisch diskutiert. Und wie per Knopfdruck tönt der zweite Schlachtruf dieses Protestes: "Lügenpresse!" Aber der ist jetzt nicht erwünscht. "Nein, bitte dieses Mal nicht", sagt Bachmann. Dieses Mal. Der Pariser Anschlag richtet sich ja gegen eine Zeitschrift. Da könnte die Parole missverstanden werden. Überhaupt, die Veranstalter haben gebeten, mit Trauerflor zu erscheinen. Aber kaum jemand folgt diesem Aufruf. Man mag auch hier einen ersten feinen Riss erkennen. Ist der Trauerflor ein zu großes Zugeständnis an die "Lügenpresse"?

Die offizielle Botschaft soll eine andere sein: Pegida will sich nicht ausgrenzen lassen. "Auch wir haben ein Recht, Mitgefühl zu zeigen. Wir sind nicht ausländerfeindlich, nicht islamfeindlich, nicht rassistisch, nicht radikal", sagt Kathrin Oertel, das neue weibliche Gesicht Pegidas. Radikal sind die Forderungen tatsächlich nicht, die Bachmann präsentiert. Er verlangt "ein Zuwanderungsgesetz, das die unbestrittene Notwendigkeit einer qualifizierten Zuwanderung nach dem Vorbild Kanadas oder der Schweiz" regelt. Er will "das Recht und die Pflicht zur Integration" gesetzlich festschreiben. Und Ausweisung und Einreisestopp für Dschihadisten, also Kriegstouristen aus Deutschland im Dienst des IS. Schweigend geht es durch die Stadt.

Den Gegendemonstranten ist nicht zum Schweigen zumute. Ganz im Gegenteil. "Nazis raus" wird gerufen, und einige Böller knallen. Im Ganzen bleibt es friedlich. Dafür sorgt ein riesiges Polizeiaufgebot. Und nun? Wie geht es weiter? Pegida wird nicht weichen, will sich etablieren, will ein gestaltender Faktor werden. Dieser Anspruch ist noch nie so deutlich formuliert worden. "Kommt jeden Montag nach Dresden", ruft Kathrin Oertler aus, "bis wir im Bundestag würdevoll vertreten werden." Und der Appell geht nicht in erster Linie an die Anwesenden - er ist ein Appell, der deutschlandweit gehört werden soll. Nie ist der Jubel größer.

Köln und Düsseldorf

Der "Kögida"-Marsch durch die Kölner Innenstadt morgen Abend wird wohl nicht stattfinden. Die Kölner Polizei hat dem Veranstalter eine "beschränkende Auflage" erteilt, wie ein Sprecher mitteilte. Demnach darf nur eine Standkundgebung auf der Komödienstraße stattfinden. Der Veranstalter wollte auf dem Bahnhofsvorplatz seine Veranstaltung abhalten und einen "islamkritischen Abendspaziergang" durchführen. Doch dies wurde aus Sicherheitsgründen abgelehnt. Etwa 5000 Menschen demonstrierten gestern Abend in Düsseldorf gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit und gegen die islamkritische Dügida. Diese Gruppe wird laut NRW-Verfassungsschutz rechtsextremistisch gesteuert. "Für Feinde von Demokratie und Freiheit ist in unserer Mitte kein Platz", sagte Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD). An zahlreichen Gebäuden wurde die Außenbeleuchtung abgeschaltet. ta/dpa

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