Impfgipfel in Berlin Hausärzte sollen nach Ostern mit Impfen beginnen

Berlin · „Impfen, impfen, impfen“, gibt Kanzlerin Angela Merkel als Devise aus. Wenn es denn genug Impfstoff gäbe. Immerhin gibt es einen Plan. Und die Bedrohung eines neuen Lockdowns.

 Unerschrocken: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) lässt sich in Stuttgart mit Astrazeneca impfen.

Unerschrocken: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) lässt sich in Stuttgart mit Astrazeneca impfen.

Foto: dpa/Marijan Murat

Winfried Kretschmann setzt das Zeichen des Tages: Der grüne Wahlsieger des vergangenen Wochenendes ließ sich am Freitag öffentlich impfen. Dem 72-Jährigen und seiner Ehefrau Gerlinde wurde die erste Dosis des Wirkstoffs von Astrazeneca verabreicht, der zuletzt für mehrere Tage gesperrt gewesen war. Er sei Gott dankbar, „dass er uns Menschen so etwas Kreatives wie das Impfen gegeben hat“, sagte der Ministerpräsident von Baden-Württemberg.

Zuvor hatte die Europäische Arzneimittelagentur (Ema) ihre Einschätzung nach wiederholter Prüfung des Impfstoffs von Astrazeneca bekräftigt, dass dieser weiter verabreicht werden soll. Bund und Länder hatten ihre Gespräche zur Einbindung der Hausärzte wegen der ausstehenden Ema-Entscheidung zunächst vertagt. An diesem Freitag holten sie den Impfgipfel nach.

20 Dosen pro Hausarztpraxis

Dem Beschluss zufolge sollen die Hausärzte unmittelbar nach Ostern routinemäßig in die Schutzimpfungen gegen das Coronavirus einsteigen. Vorgesehen ist allerdings die Möglichkeit, dass Länder bis zum 22. März erklären, sich daran nicht zu beteiligen. Wegen der zunächst noch geringen Mengen an verfügbarem Impfstoff wird das Impfen in den Hausarztpraxen auch nur langsam starten. In dem Beschlusspapier ist von etwa einem Impftermin pro Woche die Rede. Umgerechnet auf rund 50 000 Hausärzte in Deutschland geht es demnach um eine Größenordnung von 20 Impfdosen pro Praxis – insgesamt rund eine Million Impfdosen. In der letzten April-Woche sollen dann jedoch schon fast 3,2 Millionen Impfdosen an Hausarztpraxen gehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Abend, man könne ab April schneller und flexibler werden. „Die Devise lautet: Impfen, impfen, impfen“, sagte Merkel. Für die Impfungen in Arztpraxen gilt laut Beschluss die Priorisierung gemäß der Impfverordnung ebenfalls als Grundlage, „die flexibel anzuwenden ist“. Dabei dürfe zu keiner Sekunde aus den Augen verloren werden, besonders Schutzbedürftigen auch weiterhin diesen Schutz zu geben, machte die Kanzlerin mit Blick auf die Priorisierung bei Impfungen deutlich. Vereinbart wurde ferner, dass fünf Bundesländer zum Schutz vor dem Eintrag mutierter Coronaviren durch Pendler aus Nachbarstaaten zusätzliche Impfdosen bekommen sollen. Dies betrifft das Saarland und Rheinland-Pfalz mit ihrer Grenze zu Frankreich sowie Bayern, Sachsen und Thüringen wegen der hohen Infektionszahlen in Tschechien. Dem Beschluss zufolge soll Bayern 100 000 zusätzliche Impfdosen bekommen, Sachsen 100 000, das Saarland 80 000, Thüringen 30 000 und Rheinland-Pfalz 20 000 Dosen.

Die Notbremse soll greifen

Merkel rief am Freitag angesichts steigender Infektionszahlen noch einmal die sogenannte Notbremse in Erinnerung, wonach ab einem Inzidenzwert von 100 zu den Corona-Maßnahmen von Anfang März zurückzukehren sei. „Ich hätte mir gewünscht, ohne Notbremse auskommen zu müssen“, sagte Merkel. Man werde aber leider davon Gebrauch machen müssen.

Am Freitagvormittag hatte auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach Bund und Länder aufgefordert, bei der für Montag geplanten Ministerpräsidentenkonferenz zu einem schärferen Lockdown zurückzukehren. „Man kann es drehen und wenden wie man will, wir müssen zurück in den Lockdown.“ Je früher man reagiere, desto kürzer müsse der Lockdown sein, um wieder auf eine beherrschbare Fallzahl zu kommen. Lauterbach sprach vom Beginn einer „fulminanten dritten Welle“.

Spahn und Lauterbach im Gespräch

In einer Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warnte Lauterbach eindringlich vor einer Überlastung der Intensivstationen. Sowohl Lauterbach als auch Spahn betonten zwar, dass die Bekämpfung der Pandemie keinen Platz für parteipolitische Scharmützel biete. Immer wieder wurde jedoch deutlich, zu welch unterschiedlichen Einschätzungen beide kommen. So plädiert Lauterbach dafür, Schulen so lange wieder zu schließen, bis ausreichend Tests verfügbar sind.

Zudem hatte Lauterbach zuletzt die Entscheidung Spahns kritisiert, die Impfungen mit Astrazeneca auszusetzen. An diesem Freitag fügte er jedoch beinahe erklärend hinzu, als Minister müsse man aber auch die Empfehlungen des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts ernst nehmen. Auf die Frage, ob er wie manche Experten auch glaube, dass Karl Lauterbach der bessere Gesundheitsminister wäre, entgegnete Spahn: „Wer weiß, vielleicht wird er ja nochmal Gesundheitsminister.“ Eine Pandemie sei jedenfalls für sein Amt kein „Schonwaschgang“, so Spahn. „Ich werde im Zweifel immer aus Überzeugung die Position des Gesundheitsschutzes nehmen.“ mit dpa

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