Bundesverfassungsgericht verhandelt über das Betreuungsgeld "Herdprämie" vor Gericht

BERLIN · Vorhang auf. Nächster Akt in Karlsruhe. Wieder verhandelt das Bundesverfassungsgericht über einen Fall, den die Politik dem höchsten deutschen Gericht zugespielt hat. Es geht um einen Wahlkampfschlager der CSU, den die seinerzeit versammelte Opposition von SPD, Grünen und Linken verächtlich als "Herdprämie" verunglimpft und abgelehnt hat: das Betreuungsgeld.

Der SPD-geführte Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, die bald wieder von einer rot-grünen Koalition geführt wird, setzte sich an die Spitze der Bewegung und reichte Normenkontrollklage in Karlsruhe ein.

Hamburg will dort höchstrichterlich klären lassen, ob das Betreuungsgeld in Wahrheit nicht die falschen Anreize setzt. Der Senat in Hamburg hält die staatliche Leistung für verfassungswidrig, weil sie Mütter vom Arbeitsmarkt abhalte und Kinder von Bildung fernhalte. Auch aus diesem Grund hatte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) das Betreuungsgeld immer wieder als eine "Fernhalteprämie" qualifiziert.

Doch dummerweise schafft die Normenkontrollklage des bis dato SPD-geführten Hamburger Senats eine zwiespältige Situation - vor allem für Schwesig. Die SPD-Politikerin war schon keine Freundin des Betreuungsgeldes, als sie noch Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern war.

Im Wahlkampf hatte sich Schwesig noch für eine Abschaffung und stattdessen für den Kita-Ausbau ausgesprochen. Doch in ihrer neuen Rolle als Bundesfamilienministerin fällt das Betreuungsgeld pikanterweise in ihr Ressort. Schwesig kann die von Schwarz-Gelb beschlossene und am 1. August 2013 eingeführte Leistung nicht einfach kassieren.

Dafür aber könnte jetzt die Klage Hamburgs sorgen. Der Stadtstaat ist zudem der Auffassung, dass der Bund nach dem Grundgesetz nur dann zuständig ist, wenn sein Eingriff in die grundsätzliche Länderzuständigkeit erforderlich ist (Artikel 72, Absatz 2). Das ist aus Hamburger Sicht nicht der Fall. Bürgermeister Olaf Scholz: "Der Bund hat keine Gesetzgebungskompetenz. Im Übrigen ist dieses Gesetz politisch falsch."

Auf der anderen Seite konnte die SPD während der Koalitionsverhandlungen mit CSU und CDU gerade unter Verweis auf das Betreuungsgeld familienpolitische Leistung durchsetzen: Kita-Ausbau, Elterngeld Plus, Frauenquote.

150 Euro jeden Monat erhalten Eltern vom Staat, die ihre Kinder bis zum dritten Lebensjahr nicht in einer öffentlichen Kindertagesstätte betreuen lassen, sondern selbst zu Hause auf den Nachwuchs aufpassen. Kritiker der "Herdprämie" führten unter anderem an, vor allem bildungsferne Familien könnten das Betreuungsgeld für den Eigenbedarf an Alkohol und Zigaretten ausgeben.

Wenn die Karlsruher Richter morgen über das Betreuungsgeld verhandeln, sitzt ein Mann mit besonderer Rolle in der Reihe der Prozessbeteiligten: Ralf Kleindiek, Staatssekretär im Bundesfamilienministerium. Kleindiek ist in diesem Fall Schwesigs wichtigster Mann. Er war schon Staatsrat in der Hamburger Justizbehörde und hat dabei die Klage gegen das Betreuungsgeld mitformuliert.

Ein Interessenkonflikt? Nicht für Schwesig: "Er hat erst dem Land gedient, jetzt dient er dem Bund. Das ist Föderalismus." Bundespräsident Joachim Gauck übrigens hatte das Gesetz zum Betreuungsgeld nach einigem Zögern dann doch unterzeichnet, weil er die verfassungsrechtlichten Bedenken für "nicht so durchgreifend" hielt. Wie durchgreifend sie tatsächlich sind, entscheidet jetzt Karlsruhe.

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