NSU-Prozess Holger G. will von NSU-Mordanschlägen nichts gewusst haben

München · Im NSU-Prozess hat ein weiterer Angeklagter zugegeben, den mutmaßlichen Neonazi-Terroristen bei ihrem Leben im Untergrund geholfen zu haben. Holger G. bestritt jedoch entschieden, dass er von terroristischen Straftaten der Gruppe gewusst habe.

 Der Angeklagte Holger G. sitzt im Gerichtssaal in München. Foto: Marc Müller

Der Angeklagte Holger G. sitzt im Gerichtssaal in München. Foto: Marc Müller

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"Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass die drei möglicherweise Gewalt in dem hier vorgeworfenen Ausmaß gegen andere ausüben könnten", hieß es in der schriftlichen Erklärung, die er am Donnerstag vor dem Münchner Oberlandesgericht verlas.

Den Angehörigen der Opfer sprach er sein Mitgefühl aus. "Ich selbst bin entsetzt über das Leid, welches diese sinnlosen Taten über die Opfer und ihre Familien gebracht haben." Was er getan habe, tue ihm "fürchterlich leid", sagte er. "Ich möchte mich dafür entschuldigen."

Holger G. gab zu, dass er die mutmaßlichen Neonazi-Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos über Jahre bei ihrem Leben im Untergrund unterstützt hatte. Unter anderem habe er ihnen 3000 Mark geliehen und seinen Reisepass und einen Führerschein überlassen. "Ich habe das damals gemacht, weil ich meinen Freunden helfen wollte. Ich fühlte mich ihnen als Freund verpflichtet", sagte er.

Im Jahr 2000 oder 2001 habe er aber auch im Auftrag des ebenfalls angeklagten Ralf Wohlleben eine Pistole zu den Dreien transportiert. Wohlleben habe ihm den Beutel in die Reisetasche gesteckt. Erst im Zug habe er bemerkt, dass eine Waffe darin war. Beate Zschäpe habe ihn am Bahnhof in Zwickau abgeholt. In der Wohnung der drei in der Polenzstraße habe dann einer der beiden Männer die Pistole herausgeholt und vor seinen Augen durchgeladen. Für Zschäpe könnte diese Aussage belastend gewertet werden, für Wohlleben erst recht.

Dennoch habe es für ihn keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die drei über ihr Leben im Untergrund hinaus Straftaten begehen würden. Die drei hätten stets beteuert, mit den Papieren "keinen Scheiß" zu machen. So habe er mit seinem Führerschein nicht ermöglichen wollen, dass Wohnmobile angemietet und Menschen getötet werden. "So etwas hätte ich mir nicht mal in meinen schlimmsten Träumen vorstellen können."

Bundesanwalt Herbert Diemer sprach nach der Verhandlung von "reinen Schutzbehauptungen". Es sei "nicht ungewöhnlich, dass ein Angeklagter, nachdem er mit der Anklage konfrontiert wird, mit aller Macht versucht, die Dinge vielleicht doch noch zu relativieren".

"Glaubhaft war das nicht", meinte auch Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer nach der Verhandlung. Holger G. belaste Beate Zschäpe schwer, versuche aber, sich selbst rauszureden. Seine Mandantin Gamze Kubasik nehme dem Angeklagten die Entschuldigung nicht ab. Andere Nebenklagevertreter werteten die Einlassung nicht so negativ: Angelika Lex bezeichnete die Erklärung als erstes Zeichen. "Wie man das bewertet, hängt sicherlich auch davon ab, ob er bereit ist, Fragen zu beantworten. Man muss das alles noch einer Glaubwürdigkeitsprüfung unterziehen." Opferanwalt Jens Rabe sprach von einer Geste - "das sollte man nicht zu gering schätzen".

Die Verhandlung wurde nach der Erklärung beendet, da Holger G. keine Fragen beantworten wollte. Der Prozess wird am kommenden Dienstag fortgesetzt. Dann soll voraussichtlich der Angeklagte Carsten S. weiter vernommen werden.

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