Winterklausur in Kloster Seeon Horst Seehofer hofft auf den Realitätssinn der SPD
KLOSTER SEEON · Die CSU hat ihre Winterklausur in Kloster Seeon begonnen. Die Christsozialen starten dort mit dem Plan einer bürgerlich konservativen Wende in Deutschland ins neue Jahr.
Die Obergrenze haben sie Protestler gleich aufgehängt. An mehreren ziemlich stattlichen Bäumen auf der Zufahrt nach Kloster Seeon. Die Kompromisslinie liest sich dabei schon sehr dünn: „Obergrenze Null“, prangt auf Plakaten. Die CSU-Granden können es bei ihrer Anreise nicht übersehen.
Parteichef Horst Seehofer sagt trocken bei seinem Eintreffen in der klösterlichen Bildungsstätte: „Wir haben verstanden.“ Er meint nicht den Protest, sondern das auch für die CSU desaströse Wahlergebnis der Bundestagswahl von 38,5 Prozent. Gut drei Monate später sieht es für die CSU nicht sehr viel besser aus: 39 Prozent bescheinigt ihr eine jüngste Umfrage. Die für das Frühjahr angekündigte Stabübergabe an der Spitze des Landesregierung von Seehofer zu Markus Söder hat bislang wenig gebracht.
Und: Seehofers Dauerrivale Söder ist bei vielen Menschen nicht besonders beliebt. Weniger als die Hälfte der Befragten glaubt, dass Söder die Sorgen und Nöte der kleinen Leute kenne. Dabei hatten sowohl Seehofer wie auch Söder beim Parteitag im Dezember in Nürnberg betont: „Die CSU ist nicht die Partei der Champagner-Etage.“ Leberkäse immer gerne, edler französischer Tropfen nein.
Generalsekretär Andreas Scheuer bekennt: „Wir sind nicht zufrieden mit den 39 Prozent.“ Gerade zu Beginn eines für die CSU so eminent wichtigen Jahres mit der Landtagswahl in Bayern im September. Mit ihrer Klausur in Kloster Seeon, die dieses Mal keine Landschaftsbilder mit Schnee liefert, will die CSU laut Scheuer ihren „Regieplan“ für die Verteidigung der absoluten Mehrheit aufstellen. Die CSU als Partei von Recht und Gesetz, Bayern als Vorzeigeland für Sicherheit in Deutschland, mehr Härte gegen Straftäter und drastische Einschnitte für Asylbewerber. Wie war das gleich nochmal? Obergrenze Null, wie es der Protest von Seeon an die Bäume gepinnt hat? Besser 200.000 als „atmender Richtwert“.
SPD, bitte kommen!
Eine große Koalition würde ihnen vorerst genügen. Seehofer spitzbübisch: „Machen Sie sich keine Sorgen um Berlin, das kriegen wir schon hin.“ Seehofers Statthalter in Berlin, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, hat pünktlich zur Klausur einige Thesen aufgeschrieben, die unter anderem den potenziellen Koalitionspartner SPD aufbringen könnten. Darin plädiert Dobrindt „für eine bürgerliche Wende“ in Deutschland und spricht sich dafür aus, die Revolution der 1968er-Bewegung zu überwinden. Dobrindt: „Deutschland ist ein bürgerliches Land. Die Mehrheit der Menschen in unserem Land lebt und denkt bürgerlich. Es gibt keine linke Republik und keine linke Mehrheit in Deutschland.“
Die 68er seien „immer eine Elitenbewegung“ gewesen, nie Bürger-, Arbeiter- oder Volksbewegung. 50 Jahre nach 1968 werde es „Zeit für eine bürgerlich konservative Wende“. Dobrindt macht noch weiter Stimmung. „Deutschland ist nicht der Prenzlauer Berg, aber der Prenzlauer Berg bestimmt die öffentliche Debatte“, schreibt er in einem Beitrag für „Die Welt“. Von wegen: keine Sorgen in Berlin.
Seehofer und Dobrindt beteuern: „Wir wollen diese Koalition mit der SPD.“ Aber es müsse schon eine SPD sein, die sich um Sicherheit und Aufbruch des Landes kümmere, und keine SPD, die nur „Themen aus der alten sozialistischen Mottenkiste buchstabiert“. Und bitte sehr, die SPD sei eine „20-Prozent-Partei“ und könne somit kaum erwarten, 100 Prozent ihrer Ideen umzusetzen. Auch Seehofer appelliert an den Realitätssinn der Sozialdemokraten: „Dieses Projekt kann gelingen, wenn der potenzielle Koalitionspartner in der Sache nicht überzieht, was in der Lage der SPD durchaus denkbar ist.“ SPD, bitte kommen!
Das Scheitern von Jamaika wirkt bei Seehofer nach. Er sagt, er habe die 61 Seiten der gescheiterten Sondierungsgespräche von CDU, CSU, FDP und Grünen seither stets bei sich. Warum die FDP tatsächlich ausgestiegen sei, sei für ihn „bis heute ein Rätsel“. Von Rätseln hat Seehofer bis auf weiteres genug.