Angela Merkel diskutiert mit Schülern "Ich hatte Sorgen in der ersten Nacht im Hotel im Westen"

Berlin · Angela Merkel spricht in Berlin mit 150 Schülern über ihr Leben in der DDR, ihren eigentlichen Berufswunsch und die Schulzeit.

 Ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung hat Kanzlerin Angela Merkel mit Schülern über die deutsche Geschichte gesprochen.

Ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung hat Kanzlerin Angela Merkel mit Schülern über die deutsche Geschichte gesprochen.

Foto: dpa

Für Angela Merkel war es am Dienstag ein angenehmer Termin, auch wenn er nicht so recht in den Zeitplan passen sollte. Keine Fragen zur aktuellen Flüchtlingsdebatte, 90 Minuten nicht über Transitzonen und Asylverfahrensbeschleunigungsgesetze nachdenken. Dafür durfte sie über sich sprechen und ihr Leben in der ehemaligen DDR. Zu Gast waren 150 Schüler, die sich im Vorfeld in Projektarbeiten mit dem Thema "Was war die DDR?" vorbereitet hatten. Und die Kanzlerin redete offen wie selten über die Zeit vor der Wende und die ersten Tage danach.

"Wäre ich in der Bundesrepublik aufgewachsen, wäre ich wohl Lehrerin geworden und keine Physikerin", erzählte Merkel. In der DDR wollte sie diesen Beruf nicht ausüben. "Ich wollte keinen Schüler indoktrinieren, ob er zur Christenlehre geht", sagte die Tochter eines Pfarrers.

Nach der Wende habe sie den Menschen in der ehemaligen DDR eine Stimme geben wollen und sei deshalb in die Politik gegangen. Dabei sei die erste Nacht in einem Hotel im Westen nach dem Fall der Mauer für die Kanzlerin keineswegs erholsam gewesen.

Gespräch über Vergangenheit mit aktuellem Bezug

"Ich hatte ja immer nur Krimis gesehen, in denen Menschen in westlichen Hotels etwas zugestoßen ist. In Bukarest oder Budapest habe sie im Hotel nie Angst gehabt", erzählte sie. Im Westen habe ihr ein Gefühl der Sicherheit gefehlt. "Die erste Nacht allein als Frau im Hotel - da habe ich mir schon Sorgen gemacht."

Nach einer Stunde schaute Merkel das erste Mal auf die Uhr. "In dreißig Minuten müssen wir aber Schluss machen", mahnte sie, wichtige Termine standen an. Und auch wenn sie bei dem Treffen mit den Zehnt- und Elftklässlern über die Vergangenheit spricht, richtete sie eine Botschaft mit aktuellem Bezug an die Schüler: "Schaut über die deutsche Grenze hinaus. Auch heute gibt es noch Menschen, die ebenso wenig oder gar weniger Freiheiten haben, als damals in der DDR. Das fängt ziemlich schnell hinter der polnischen oder bulgarischen Grenze an."

Die DDR sei zwar ein diktatorischer Staat gewesen, über allem habe eine Schicht von Diktatur gelegen, aber es habe eben auch ein privates Leben gegeben. Eines, in das der Staat eben nicht seine Nase stecken konnte. Als sie zusammen mit den Cousinen Urlaub machte, habe sie immer Rechnungen aufgemacht, was im Osten und was im Westen besser sei.

Kanzlerin mit Sportschwächen

"Ich bin nicht immer deprimiert zurückgeblieben. Wir hatten beispielsweise die schönen Landschaften und Seen." Und trotzdem habe sie immer aufpassen müssen, wenn sie den "Kopf hinausgestreckt hat". "Es ging dann ganz schnell, dass der Schalter umgelegt wurde und man eine unangenehme Zeit hatte."

Eine Schwäche verriet sie den anwesenden Schülern am Ende dann auch noch: "Sport war im Studium verpflichtend. Wenn man eine Prüfung nicht bestanden hatte, gab es kein Diplom. Und ich hatte Schwierigkeiten beim 100-Meter-Lauf, die einzige Prüfung die ich wiederholen musste", sagte die Kanzlerin. Geschafft hat sie es dann doch. "Ich glaube, der Prüfer hatte Mitleid mit mir."

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