Baerbocks Nationale Sicherheitsstrategie Im Bus auf Deutschland-Inspektion

Barleben/Rehau/Hof · Wie geht es Deutschland? Steht die Abwehr gegen neue Gefahren? Die Außenministerin unterwegs im eigenen Land. Im Gespräch mit Pharmaindustrie, Feuerwehr, Bürgern über Krieg, Corona, Cyber und Rohstoffe.

 Spaß mit der Feuerwehr: Annalena Baerbock steigt in den Korb einer Drehleiter im oberfränkischen Rehau.

Spaß mit der Feuerwehr: Annalena Baerbock steigt in den Korb einer Drehleiter im oberfränkischen Rehau.

Foto: dpa/Daniel Vogl

Der Löschzug ist angetreten. Annalena Baerbock hat jetzt die Wahl. Entweder sie spendiert 50 Liter Freibier oder eben eine Einladung ins Auswärtige Amt für die gesamte Freiwillige Feuerwehr Rehau in Oberfranken. Baerbock ist seit zwei Wochen in Deutschland unterwegs, weil sie wissen will, wo es brennt, nicht nur bei der Feuerwehr. Die Außenministerin im Bus mit aufgeklebtem Bundesadler auf Deutschland-Inspektion. Sie sammelt Informationen und Eindrücke für jene Nationale Sicherheitsstrategie, die diese Bundesregierung noch in diesem Jahr vorlegen will. „Das Ehrenamt ist ein Beitrag für die nationale Sicherheit“, lobt Baerbock die Frauen und Männer von der Brandwehr. Am Ende verspricht sie in Rehau beides: 50 Liter Freibier, aber nicht aus dem Etat des Auswärtigen Amtes, „sondern aus einer anderen Kasse“ – sowie eine Einladung zum Tag der Offenen Tür der Bundesregierung im Spätsommer.

Die 29 Millionen Menschen im Ehrenamt, davon allein eine Million bei den Freiwilligen Feuerwehren, seien „das Rückgrat für unsere alltägliche Sicherheit“. Es brenne immer wieder mal, „dafür braucht es auch keine Kriege“, sagt die Grünen-Politikerin, die seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine seit Monaten ein Tag-und-Nacht-Programm zu bestehen hat.   

Für mehr Sicherheit in Deutschland will Baerbock federführend bis zum Jahresende ein Papier auflegen, das den Begriff nationale Sicherheit komplett neu und vor allem umfassend definiert. Wenn sich die Außenministerin in diesen Tagen über Länderlisten beugt, in denen die Rohstoff- und Energieabhängigkeit Deutschlands von bestimmten Staaten erfasst ist, puh, dann einfach mal tief durchatmen. Die Chef-Diplomatin kann an einem nicht vorbeisehen: Deutschland hat sich in der Vergangenheit auch an autoritäre Staaten, an autokratische Regime, an skrupellose Machthaber gebunden, wenn es darum ging, Energie und Rohstoffe nach Deutschland zu bringen. Aber das will sie ändern. Zeitenwende. Dass Deutschland in fossile Abhängigkeit geraten ist: „Vergossene Milch, Schnee von gestern“, sagt die Ministerin. Jetzt geht es um die Zukunft. Die Frage, die dabei beantwortet werden muss: Welche Produkte aus welchen Bereichen schaffen welche Abhängigkeiten? Man kann sich die Lieferanten nicht immer aussuchen. Doch Baerbock betont: „Es darf nicht sein, dass wir zu 100 Prozent abhängig von einer Quelle sind.“

Die Außenministerin steht jetzt in der Produktionshalle eines Pharmaherstellers in Barleben/Sachsen-Anhalt. Hier kümmern sich die Generika-Experten mit ihrem bestverkauften Medikament um den Blutdruck der Republik. Auch die Pharma-Experten erzählen der deutschen Außenministerin von Wirkstoffen, die sie seit Jahren aus China und Indien beziehen – und damit in eine Abhängigkeit geraten sind. Und von Schutzanzügen, Handschuhen, Atemschutzmasken, die in Corona-Zeiten bedenklich knapp wurden. Die Lehren der Pandemie sind hoffentlich gezogen.

Die Außenministerin ist in diesen Juli-Tagen mal nicht im Ausland, sondern im eigenen Land unterwegs. Sie stoppt bei ihrer Sommerreise quer durch die Republik bei Feuerwehren, Fußballvereinen, Stromversorgern oder Pharmaherstellern, weil sie wissen will, wo es Mängel und Sicherheitslücken gibt. Bewusste Termine in der grenznahen Provinz, wo auch der europäische Gedanke gepflegt werden soll: Gronau, Saarlouis, Rehau, Hof. Sicherheit sei mehr als Militär plus Diplomatie, hat sie im Frühjahr gesagt.

Deutschland gegen neue (und alte) Gefahren wappnen

Ende dieses Jahres soll dann erstmals die Nationale Sicherheitsstrategie stehen, mit der sich Deutschland gegen neue (und alte) Gefahren wappnen will. Es soll ein ganz großes Bild werden. Eine komplette Neudefinition des Begriffes von Sicherheit. In der Corona-Zeit habe das Land schmerzlich erfahren, dass die Gesundheit aller gefährdet sei. Die Frage des Nachschubs etwa bei Antibiotika habe gezeigt, dass ein Land wie Deutschland nicht nur durch militärische Angriffe verwundbar sei, sondern eben auch, „wenn essenzielle Teile unserer Gesundheitsversorgung ausfallen“, sagt Baerbock in Barleben noch.

In Hof diskutiert Baerbock mit Bürgerinnen und Bürgern über digitale Sicherheit, über Cyberangriffe, über die Stärke von Demokratie. In Nürnberg geht sie die Straße der Menschenrechte entlang. Am Ende der Straße legt sie am Denkmal für die Opfer des rechten NSU-Terrors einen Blumenkranz nieder. Drei Morde hat der NSU in Nürnberg begangen. Wieder geht es um Sicherheit, um die Abwehr von Extremismus, von rechtem Terror.

Deutschlands Sicherheit werde nicht nur durch Angriffe von außen gefährdet, durch Krieg und Klimakrise, sondern „unsere Sicherheit verlangt eben auch eine starke Demokratie“. Sicherheit sei einfach umfassend: innen wie außen, sagt Baerbock.

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