Gegen Unterrichtausfall Immer mehr Quereinsteiger gegen den Lehrermangel

Berlin · Um die vielen unbesetzten Lehrstellen auszugleichen, werden Menschen aus anderen Berufen an deutschen Schulen angestellt. Verbände befürchten jedoch einen Qualitätsverlust der Lehre.

Inklusion, Ganztag, Flüchtlingszuzug, Pensionierungswelle: Gründe für den bundesweiten Lehrermangel nennen die Länder viele. Aktuell sind rund 2000 Stellen an den Schulen unbesetzt. Das hat eine Umfrage unserer Redaktion bei den Schulministerien ergeben. Dass es nicht noch mehr sind, liegt oft an den so genannten Quer- und Seiteneinsteigern.

Das sind Personen, die zwar ein Studium oder eine Berufsausbildung abgeschlossen, aber nicht auf Lehramt studiert haben. Der Umfrage zufolge wurden allein 2017 mindestens 3300 von ihnen an den Schulen angestellt. Weil nicht alle Länder diese Zahlen erheben, waren es aber wohl noch mehr. Das wird von Lehrerverband und Gewerkschaft heftig kritisiert.

„Die Zahl der nicht besetzten Stellen klingt erst einmal nicht so dramatisch. Wenn man aber die Seiteneinsteiger dazurechnet, die ja nur eingestellt werden, weil es viel zu wenige voll ausgebildete Lehrer gibt, ist der Mangel sehr viel größer“, sagt Ulf Rödde von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). In manchen Bundesländern sei die Zahl der neu eingestellten Seiteneinsteiger zudem ähnlich hoch wie die der neu eingestellten Lehrer.

NRW hat die meisten unbesetzten Stellen

Bei den unbesetzten Stellen ist NRW Spitzenreiter: 1006 Lehrerstellen waren zuletzt noch nicht besetzt. Nach dem Bevölkerungsanteil wäre zu erwarten gewesen, dass auf das Land nur ein Fünftel der unbesetzten Stellen entfällt. Auf Platz zwei steht der Umfrage zufolge Baden-Württemberg (455 Stellen) und Niedersachsen(155).

Insgesamt sei der Lehrermangel zudem noch größer, sagt Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes: „Wenn man zum Beispiel noch dazurechnet, was an Unterricht ausfällt und dass an zahlreichen Schulen auch fachfremd unterrichtet wird, gehen wir insgesamt von einem Mangel von 20.000 Lehrern aus“.

Meidinger fürchtet einen Qualitätsverlust. „Viele Seiteneinsteiger fangen häufig direkt mit der Arbeit an und werden nicht ausreichend pädagogisch geschult.“ Die Länder betonen, dass Quer- und Seiteneinsteiger gut ausgebildet würden.

2007 hat NRW bis Schuljahresbeginn rund 543 Seiteneinsteiger eingestellt. Die meisten von ihnen (183) arbeiten an Berufskollegs, dicht gefolgt von Grundschulen (153). Dort ist auch der Lehrermangel – wie in den meisten anderen Ländern – am größten. „Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen“, so Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP).

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