Beleidigungen und Bedrohungen In NRW steigt die Zahl der Übergriffe auf Lokalpolitiker

Düsseldorf · Trotz verschärfter Sicherheitsvorkehrungen hat es im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen die meisten Straftaten gegen kommunale Amts- und Mandatsträger gegeben, seit 2016 die Erhebung der Daten begann.

 Beleidigungen und Bedrohungen gegen Politiker häufen sich in den letzten Jahren.

Beleidigungen und Bedrohungen gegen Politiker häufen sich in den letzten Jahren.

Foto: dpa/Paul Zinken

Wie das NRW-Innenministerium unserer Redaktion mitteilte, gab es im Jahr 2019 landesweit 52 Fälle. 2018 hatte die Zahl bei 43 gelegen, 2017 bei 44. 2016 waren erst 31 Fälle erfasst worden.

Zu den Straftaten des vergangenen Jahres gehören nach Angaben des Innenministeriums insgesamt 16 Fälle von Beleidigung. Außerdem gab es unter anderem acht Bedrohungsdelikte und vier Fälle von Volksverhetzung, dreimal wurden Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet.Anfang dieses Jahres hatte der Fall des Kamp-Lintforter Bürgermeisters Christoph Landscheidt (SPD) Aufsehen erregt. Er hatte wegen Bedrohungen durch Rechtsextreme einen Waffenschein beantragt, diesen Antrag aber wieder zurückgezogen.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) verurteilte die Übergriffe. „Es macht mich wütend, dass es mittlerweile immer mehr zu verbalen und sogar körperlichen Bedrohungen kommt. Diese Form der Gewalt ist auch ein Angriff auf unsere demokratischen Strukturen und unser gesellschaftliches Selbstverständnis.

Kein Respekt gegenüber Amtspersonen

Dem müssen wir uns gemeinsam entgegenstellen“, forderte Reul. Für den Präsidenten des Städte- und Gemeindebunds NRW, Roland Schäfer (SPD), ordnen sich die steigenden Zahlen in einen allgemeinen Trend ein. „Das beobachten wir auch bei der Polizei, der Feuerwehr und den Rettungskräften. Wir sehen einen Verlust von Respekt vor Amtspersonen und ein Ausleben von Emotionen; man hält sich nicht mehr an Selbstdisziplin“, sagte Schäfer, der auch Bürgermeister von Bergkamen bei Dortmund ist. Er betonte, es gebe Einschüchterungsversuche, die juristisch nur schwer greifbar seien.

„Es ist vorgekommen, dass vor dem Haus eines Amtskollegen plötzlich fünf bis sechs kräftige Männer standen und einfach nur guckten“, berichtete Schäfer. „In einem anderen Fall hat einer zu einem Kommunalpolitiker an der Gartentür gesagt, dass er heute seine Tochter zur Schule bringen wolle.“ Wegen solcher Erlebnisse zögen sich manche aus der Politik zurück.

Corona verstärkt die Hetze

Der Präsident des Deutschen Städtetages, der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), sagte, dass die Hetze auch durch die Corona-Krise zunehme. „Unzufriedene äußern leider ihre Verbitterung und Verärgerung über politische Entscheidungen zum Teil hemmungslos, vor allem im Internet“, sagte Jung.Michael Mertens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, geht davon aus, dass es noch mehr Fälle gibt. Die lägen aber vermutlich häufig „im niederschwelligen Bereich“ und würden von den Betroffenen nicht angezeigt.

„Die lokalen Politiker müssen sich dem Staat anvertrauen, damit man konsequent dagegen vorgehen kann“, appellierte Mertens. Sein Kollege Erich Rettinghaus, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, forderte mehr rechtliche Befugnisse, um gegen die Verfasser von Hassmails vorgehen zu können. „Die IP-Adressen müssen länger gespeichert werden können, um die Täter ermitteln zu können. Wir dürfen den Datenschutz nicht zu hoch hängen.“

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