"SPD sollte einmal stolz sein" Interview mit Ministerpräsident Dietmar Woidke

Berlin · Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) spricht in einem Interview mit Holger Möhle über den Kohleausstieg, die Energiewende und die bevorstehende Landtagswahl.

 Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sitzt in Potsdam in seinem Amtszimmer.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sitzt in Potsdam in seinem Amtszimmer.

Foto: Maurizio Gambarini

Der Potsdamer Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat den Bund in die Pflicht genommen, vom Strukturwandel getroffene Bundesländer wie NRW oder Brandenburg stärker zu unterstützen. Mit Woidke sprach Holger Möhle.

Die SPD ist abgestürzt – laut Infratest dimap auf zwölf Prozent im Bund und 18 Prozent in Brandenburg. Warum erreichen Sie die Menschen nicht mehr?

Dietmar Woidke: Wir haben im Bund eine schwierige Situation seit dem Rücktritt von Andrea Nahles vom Parteivorsitz. Es ist richtig, dass wir uns die Zeit nehmen, die Nachfolge zu regeln. In Brandenburg liegen die Dinge anders. Die Menschen wissen, dass es hier um Brandenburg und nicht um den Bund geht. Ich bin optimistisch, dass wir in Brandenburg ein gutes Ergebnis erreichen.

Brandenburg ist SPD-Stammland. Was würde es bedeuten, wenn Sie auch noch diese Bastion verlieren?

Woidke: Unser Landesverband ist stark, und er ist stabil. Wir stehen für Zuverlässigkeit und eine gute Entwicklung hier im Land. Ich habe bei der Frage, wen die Menschen lieber als Ministerpräsident hätten, eine Zustimmung von ca. 50 Prozent. Das werden wir in die Waagschale werfen. Ich bin optimistisch.

Trotzdem laufen die Menschen in Brandenburg in Scharen zur AfD. Warum haben die Bürger kein Vertrauen mehr in Volksparteien?

Woidke: Man muss raus zu den Menschen und dort zuhören. Das tun wir als SPD in Brandenburg seit vielen Jahren. Die Bürger wissen, dass sie von uns als Regierungspartei Sicherheit, Planbarkeit und Zuverlässigkeit bekommen. Das Umfeld ist schwierig, aber ich habe das Gefühl, dass eine Mehrheit der Menschen uns vertraut.

Die Menschen in der Kohleregion Lausitz haben Angst um ihre Zukunft. Versteht man dort den Kohleausstieg 2038?

Woidke: Der Kohleausstieg ist ein Kompromiss. Dafür reißt in der Lausitz niemand die Arme hoch, aber er war politisch notwendig. Der Kohleausstieg 2038 ist machbar, wenn eine künftige Energieversorgung – übrigens für ganz Deutschland – geregelt ist, die dann möglichst CO2-frei erfolgen sollte. Wir in Brandenburg sind das Land mit der höchsten Produktion an Erneuerbarer Energie – und zwar pro Kopf wie auch pro Hektar Fläche. Wir sind von allen Bundesländern auf dem Weg in eine CO2-neutrale Zukunft mit Abstand am besten vorbereitet. Wir nehmen die Menschen auf diesem Weg mit und werden in den kommenden Jahren dafür sorgen, dass alternative, neue Arbeitsplätze, die gut bezahlt sein müssen, in der Lausitz entstehen. Dazu muss der Bund in der Strukturentwicklung in den Kohleregionen mehr tun. Auch Teile Westdeutschlands etwa in Nordrhein-Westfalen brauchen Hilfe beim Strukturwandel.

Wollen Sie den Verbrauch von Kohlendioxid besteuern?

Woidke: Die Energiewende kann nur gelingen, wenn sie mit den Menschen gemacht wird. Ich halte es für vollkommen falsch, die Spritpreise für Autofahrer zu erhöhen, wenn es keine vernünftige Alternative gibt. Brandenburg ist ein Flächenland. Wir haben hier im Land 350 000 Pendler, die aufs Auto angewiesen sind. Grün heißt nicht automatisch mehr Klimaschutz, sondern wahrscheinlich mehr Belastung für die Bürger. Das wollen wir nicht.

Geht die SPD in Brandenburg auch in eine Koalition, wenn sie nicht den Ministerpräsidenten stellt?

Woidke: Wir haben das Ziel, stärkste Kraft zu werden, und denken über andere Dinge nicht nach. Wir werden, wenn wir stärkste Kraft werden, nach der Landtagswahl mit allen Parteien – mit Ausnahme der Rechtspopulisten – über eine Regierungsbildung reden. Für uns ist entscheidend, dass sich dieses Land gut weiter entwickelt, dass es in guten Händen bleibt.

Muss eine neue SPD-Spitze im Bund raus aus der Groko?

Woidke: Regierungen und Koalitionen werden daran gemessen, was sie für die Menschen im Land bewirken. Nicht mehr und nicht weniger. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine SPD in der Opposition mehr für die Menschen im Land bewirkt, als sie es momentan in der Regierung kann. Wir haben viele Sachen wie das Gute-Kita-Gesetz oder das Starke-Familien-Gesetz auf den Weg gebracht – oder auch bei der Strukturentwicklung der Kohleregionen wichtige Wegmarken gesetzt. Darauf sollte die SPD auch einmal stolz sein. All dies wäre mit einer Jamaika-Koalition nicht passiert. Ich kann der SPD nur empfehlen, ihre Erfolge in der Regierung stärker zu betonen. Wir sollten uns nicht ständig den Kopf darüber zerbrechen, ob uns mehr Menschen wählen, wenn wir sagen: Wir gehen in die Opposition. Die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung muss auf den Weg gebracht werden. Ohne SPD in der Bundesregierung wird so etwas nicht kommen.

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