„Franziskus ist ein Glücksfall“ Interview mit Stefan Vesper

Bonn · Seit 150 Jahren gibt es das Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Es veranstaltet die Katholikentage und ist die Stimme der organisierten Laien in der Kirche. Generalsekretär Stefan Vesper im Interview.

 Seit 1999 im Amt: Stefan Vesper.

Seit 1999 im Amt: Stefan Vesper.

Foto: Julia Steinbrecht/KNA

Herr Vesper, wo steht das ZdK heute? Welche Bedeutung hat es in der Kirche?

Stefan Vesper: Das ZdK hat eine Bedeutung in der Kirche und in der Gesellschaft. Beides ist für mich wichtig. In der Kirche sind wir die Stimme der Laien, die unsere Kirche mit innerer Anteilnahme immer wieder daraufhin anschauen, welche Weiterentwicklungen es geben muss. In der Gesellschaft sind wir die Stimme der Katholiken, die auf bestimmte unverzichtbare Wertehaltungen hinweist.

Was hat das ZdK in der Vergangenheit erreicht?

Vesper: Es gab da verschiedene Themenfelder. Zum Beispiel beim Lebensschutz: Für uns ist es wichtig, dass wir uns für den Schutz des menschlichen Lebens vom Anfang bis zu seinem Ende einsetzen. Da befinden wir uns in ganz großer Übereinstimmung mit der Bischofskonferenz. Beim Konflikt über den Paragrafen 218 haben wir uns eindeutig positioniert: Wir wollen auch Frauen in Not mit den Mitteln des Gesetzes erreichen. Der Lebensschutz – übrigens auch am Ende des Lebens – hat für uns Vorrang.

Moment – die Bischöfe sind der Position, auch Schwangerschaftskonfliktberatungen mit der Ausgabe eines Beratungsscheines durchzuführen, auf römischen Druck aber nicht gefolgt.

Vesper: Es gibt in der katholischen Kirche eine legitime Pluralität. Nicht alle Laien teilen unsere Auffassung, aber wir sprechen für die ganz große Mehrheit der katholischen Laien.

Worin unterscheidet sich denn das ZdK von Organisationen wie dem konservativen „Forum deutscher Katholiken“?

Vesper: Das ZdK ist ein demokratisch gewähltes Gremium, das aus der Mitte der katholischen Kirche kommt. In seiner Vollversammlung sind gewählte Vertreter aller großen und kleinen katholischen Verbände in Deutschland. Dazu gibt es – ähnlich wie beim Bundesrat in der Politik – drei gewählte Vertreter aus allen Diözesanräten Deutschlands. Auf diese Weise bilden wir die unterschiedlichen Lebenswelten der Katholiken in Deutschland ab. Damit haben wir als Gremium eine starke, demokratische Legitimation.

Ein Thema, das Ihnen in den letzten Jahren wichtig war, ist die Rolle der Frau in der katholischen Kirche...

Vesper: Es gibt die klare Einsicht in unserer ganzen Kirche, dass die Charismen der Frauen derzeit nicht genügend zur Geltung kommen. Das wissen und sagen auch die Bischöfe. Wir setzen uns deswegen seit zehn Jahren für den Diakonat der Frau ein und feiern jedes Jahr das Fest der Heiligen Katharina von Siena als „Tag der Diakonin“.

Trotzdem liegt das in der Kirche noch in weiter Ferne...

Vesper: Es ist aber ein Bewusstseinswandel im Gange. Es gibt Entwicklungen in Rom, es gibt gute theologische Beratungen zu dem Thema. In Osnabrück gab es dazu im vergangenen Jahr eine wichtige ökumenische Fachtagung. Wir glauben, dass sich da etwas bewegt. Man muss in manchen Fragen einfach einen langen Atem haben.

Das gilt sicher auch für die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs – wo steht die Kirche da?

Vesper: Die Katholische Kirche in Deutschland hat aus den schlimmen und bedrückenden Geschehnissen ihre Konsequenzen gezogen. Wir stehen da als ZdK ganz an der Seite der Bischofskonferenz: Es gilt, die Dinge so aufzuklären und Regelungen einzuziehen, dass das nie wieder passieren kann. Die Deutsche Bischofskonferenz hat sich da sehr entschieden positioniert. Zum Beispiel auch durch das Wirken von Bischof Stephan Ackermann als Missbrauchsbeauftragter. Seit 2010 hat die katholische Kirche eine harte Zeit erlebt. Aber wir sind in Deutschland sehr weit, weiter als andere Länder, und als katholische Kirche auch weiter als manch andere gesellschaftliche Gruppe in Deutschland, was die Aufarbeitung betrifft.

Wie nehmen Sie die aktuellen Vorgänge um Papst Franziskus wahr – etwa die Äußerungen des früheren Nuntius Vigano?

Vesper: Franziskus ist ein Papst, der in richtiger und guter Weise Dinge in der katholischen Kirche verändern will. Er muss damit rechnen, dass er dafür auch brutal angefeindet wird. Wir stehen ganz und gar an seiner Seite und unterstützen ihn, wo wir nur können.

Halten Sie ihn für einen guten Papst?

Vesper: Da sage ich sofort ja, und bin fest davon überzeugt: Er ist ein Glücksfall für unsere Kirche. Das heißt aber nicht, dass ich nicht auch für frühere Päpste Wertschätzung und Dank empfinde.

Warum diese Nachbemerkung?

Vesper: Weil alle Päpste ihre Stärken und Schwächen mitbringen. Erst die Geschichte lässt uns Zeit, uns wirklich ein Urteil über sie zu bilden. Allzu viele Leute nehmen sich ein Urteil über dieses weltweite Amt heraus, das so eine riesige Bürde ist: Der Papst soll weltweit zusammenhalten, was sehr schwer zusammenhaltbar ist. Da sollte man einen tiefen Respekt davor haben und verstehen, dass Dinge gelingen und misslingen, und dass es eben auch immer Anfeindungen und Gegnerschaft gibt.

Wie nehmen sie die Deutsche Bischofskonferenz im Moment wahr?

Vesper: Ich denke zurück an den wichtigen Dialogprozess der letzten Jahre. Da hat sich eine wichtige Gesprächskultur zwischen Amtsträgern und Laien entwickelt, und ich freue mich, dass sie weiter trägt. Ich glaube aber, dass die tiefer gehende Frage, welche Bedeutung eine Bischofskonferenz hat, weiter der Klärung oder der Bearbeitung bedarf. Unserer Meinung nach sollte die DBK stärker Entscheidungen treffen dürfen und auch treffen wollen, wenn es um hiesige pastorale Fragen geht.

Meinen sie damit die Debatte um die Zulassung konfessionsverschiedener Paare zur Eucharistie?

Vesper: Das ist ein Beispiel dafür, dass in Deutschland bestimmte Dinge einheitlich geregelt werden könnten. Wir würden das sehr begrüßen.

Was sind die Themen, mit denen das ZdK in sein nächstes Jahr geht?

Vesper: Uns drängt die Sorge um die Sicherstellung unserer Demokratie und der demokratischen Grundwerte der Gesellschaft. Die Vorgänge in Chemnitz sind erschreckend und bestürzend. Wir glauben, dass wir uns noch stärker dafür einsetzen müssen, bestimmte Grundwerte, die aus der Menschenwürde entspringen, aber auch Standards des gesellschaftlichen Miteinanders wie einen respektvollen Umgang stärker zu verteidigen. Eines unserer historischen Vorbilder und Mitglieder, Ludwig Windhorst, hat Ende des 19. Jahrhunderts gesagt: „Dies ist nicht die Zeit, die Schlafmütze über den Kopf zu ziehen!“ Wir müssen die Demokratie, den Rechtsstaat, etwa die Pressefreiheit, und Werte wie die Gastfreundschaft für Fremde und die Hilfe für sozial Schwache verteidigen.

Wie geht das in Chemnitz, wo es doch fast keine Katholiken gibt?

Vesper: Sie sprechen da etwas wichtiges an: Da wo die Christen stark sind, sind die Radikalen schwächer. Deswegen sehen wir es als unsere Aufgabe an, auch dort Gesicht zu zeigen, wo wir in der Minderheit sind. Wir wollen uns nicht nur zum Glauben bekennen und zum liturgischen Geschehen, sondern auch zu den Grundwerten, die aus dem Glauben folgen. Aber gerade in einer Stadt wie Chemnitz werden wir immer auch mit allen Menschen guten Willens zusammenarbeiten und die Gegner der Demokratie entschieden bekämpfen.

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