Soziales IW will Anhebung des Renteneintrittsalters auf 73 Jahre
Berlin · Wolfgang Schäuble will es, die Junge Union will es, die Versicherungswirtschaft und nun auch das Wirtschaftsinstitut IW. Der Druck wächst, noch länger zu arbeiten und später in Rente zu gehen.
Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) plädiert für eine weitere Heraufsetzung des Rentenalters - und bekommt dafür teils scharfe Kritik zu hören.
Nur durch längeres Arbeiten könnten steigende Rentenbeiträge und ein sinkendes Rentenniveau vermieden werden, sagte IW-Geschäftsführer Hubertus Bardt der "Bild"-Zeitung. "Wenn nicht stärker privat und betrieblich vorgesorgt wird, müsste das Eintrittsalter weiter erhöht werden: bis 2030 auf 69 Jahre und bis 2041 auf 73 Jahre.
Unter Berufung auf neue Daten der Rentenversicherung Bund berichtet das Blatt, dass Ruheständler so lange Rente bezögen wie nie zuvor. Im vergangenen Jahr sei die durchschnittliche Bezugsdauer bei Frauen auf 22,8 Jahre (reguläre Altersrente), bei Männern auf 18,78 Jahre gestiegen. 2010 erhielten Frauen im Durchschnitt noch 22,09 Jahre Rente, Männer 17,51 Jahre.
Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) will den Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge quasi als drittes Standbein der Rentenfinanzierung forcieren. Zudem hat sie einen Entwurf für eine Flexi-Rente vorgelegt, der mehr Menschen zum Arbeiten bis zur Regelaltersgrenze motivieren soll. Mittlerweile ist demnach mehr als die Hälfte der 60- bis 64-Jährigen erwerbstätig. Um Ältere möglichst lange im Erwerbsleben zu halten, solle der Übergang in den Ruhestand flexibler werden.
Das Geschäftsführende Vorstandsmitglied der IG Metall, Hans-Jürgen Urban, erklärte: "Bekanntlich führt die Anhebung der Regelaltersgrenze nicht zu einem längeren Verbleib in den Betrieben, sondern zu drastischen Rentenkürzungen." Dass die Rentenbezugszeiten länger würden, sei ein bekannter Trend, der den Rentenreformen der letzten Jahre zugrunde liege. Wer jetzt eine drastische Anhebung des Renteneintrittsalters fordere, versuch "ein bekanntes Phänomen zu skandalisieren".
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, kritisierte: "Solche Vorschläge gehen vollkommen an der Realität vorbei. Die Beschäftigungssituation für Ältere ist nach wie vor kritisch. Die meisten haben doch schon Mühe, ihren Job bis 65 oder gar 67 auszuüben. Ältere Menschen müssen am Arbeitsmarkt bessere Chancen bekommen." Die Vize-Vorsitzende der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, forderte, die "rentenpolitische Geisterfahrt" zu stoppen. "Diese schwachsinnige Diskussion muss sofort beendet werden."
Vor kurzem hatte die deutsche Versicherungswirtschaft deutlich gemacht, dass die Bürger künftig länger bis zur Rente arbeiten müssten als heute. Denn ohne deutlich spätere Rente drohten eine enorme Belastung der Steuerzahler und ein rapides Absinken des Rentenniveaus. Auch die Jugendorganisation der CDU, die Junge Union, dringt darauf, die Rente zukunftsfest zu machen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) trat für eine Koppelung des Rentenalters an die steigende Lebenserwartung ein.