Koalitionsverhandlungen in Mainz Jetzt wird's ernst: Rot, Gelb und Grün reden über Inhalte

Mainz · Erst gab es Kaffee und Kuchen, jetzt geht es um harte Politik: SPD, FDP und Grüne beraten über eine Ampelkoalition für Rheinland-Pfalz. Vor allem eine Partei steht vor einer wichtigen Entscheidung.

 Koalitionsgespräche in Mainz: Kommt eine Ampel-Koalition zustande?

Koalitionsgespräche in Mainz: Kommt eine Ampel-Koalition zustande?

Foto: dpa

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Zwei Wochen nach der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz geht es für SPD, FDP und Grüne um die Frage, ob das Signal auf Ampelkoalition gestellt wird. Damit das Dreier-Miteinander Chancen auf eine stabile Politik-Ehe hat und kein „Speed Date“ wird, haben sich alle drei Parteien erst einmal beschnuppert. Das gilt vor allem für SPD und Grüne mit der FDP, denn Rot und Grün kennen sich ja aus ihrer fünfjährigen politischen Beziehung. Die Atmosphäre der ersten Gespräche wird von allen Seiten positiv bewertet. Die FDP-Landesspitze unter Volker Wissing stellt an diesem Dienstag die Weichen für weitere Gespräche.

„Wir haben in den vergangenen Tagen in einer guten Atmosphäre Gespräche geführt“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. „Nach dem intensiven Wahlkampf nutzen wir jetzt die Osterfeiertage für eine kleine Pause und zum Durchatmen.“

Die ersten Kontakte zwischen den Parteien werden tief gehängt. In der FDP ist von Begegnungen in kleinem Kreis die Rede und Grüne wie FDP sprechen von „atmosphärischen Gesprächen“. Die Ampelparteien haben zu allen inhaltlichen Fragen Stillschweigen vereinbart. Offenherzig geben sich Teilnehmer nur mit der Information, es habe Kaffee und Kuchen gegeben. Mehr dringt nicht heraus, weder über Details zum Kuchen noch über Gesprächsthemen. Entscheidend ist, dass die Treffen betont informell waren und keine Partei zu etwas verpflichteten.

In der SPD von Ministerpräsidentin Malu Dreyer werden die ersten Treffen Sondierungsgespräche genannt. Wahlsiegerin Dreyer weiß um mögliche Hürden zwischen FDP und Grünen, schlägt aber eine Brücke zur früheren sozialliberalen Koalition im Land von 1991 bis 2006. Außerdem bleibt der SPD die Option einer großen Koalition. Die wäre aber zweite Wahl, denn die CDU von Landeschefin Julia Klöckner war direkte Gegnerin im Wahlkampf. „Auch wenn die SPD in einer großen Koalition weiterhin die Ministerpräsidentin stellen könnte, wird es schwieriger, das eigene politische Profil zu wahren“, sagt die Landauer Politikwissenschaftlerin Manuela Glaab.

Für die FDP wäre eine Regierungsbeteiligung eine strategische Option mit bundesweiter Bedeutung. Sie ist in keiner Landesregierung vertreten. Rheinland-Pfalz wäre ein Neuanfang, wenn auch nicht mit schwarz-gelber Wunschkoalition. Die ideologischen Gräben zwischen Gelb und Grün sind groß, wenn es zum Beispiel um Straßen oder Windräder geht. Die Freien Demokraten wissen aber, dass die Grünen pragmatischer sind als früher und viele Klischees nicht mehr zutreffen.

Wissing will die bisherige rot-grüne Politik nicht fortsetzen: „Wir werden unsere Überzeugungen keinen Ämtern opfern.“ Gleichwohl gibt es in der FDP ein erstes Wetterleuchten gegen die Ampel: Der Kreisverband Neuwied sprach sich in einer internen Abstimmung mit acht von neun Stimmen dagegen aus und fordert einen Sonderparteitag.

Die Liberalen werden nach Ansicht von Politikforscherin Glaab relevante inhaltliche Zugeständnisse von SPD und Grünen fordern, um die Übernahme von Regierungsverantwortung gegenüber der Parteibasis rechtfertigen zu können. „Einen solchen Verhandlungserfolg könnte die Übernahme des Wirtschaftsministeriums mit ausgebauten Zuständigkeiten symbolisieren.“

Die Grünen haben sich als erste der drei Ampelparteien für die Aufnahme formeller Koalitionsverhandlungen ausgesprochen - ein kleiner Parteitag erteilte das Mandat dafür. „Irgendwann wird es nicht mehr nur ums Kennenlernen gehen“, sagt die Grünen-Abgeordnete Anne Spiegel, die mit Bernhard Braun das zumindest einstweilige Führungsduo der auf sechs Abgeordnete geschrumpften Grünen-Fraktion bildet. Braun sagt, die ersten Treffen seien vernünftig genug verlaufen, um nun fortgesetzt zu werden.

Für die Grünen wäre die Regierungsbeteiligung nach dem Wahldebakel aus Sicht von Glaab ein stabilisierender Faktor. Da die Parteibasis über das Ergebnis möglicher Koalitionsverhandlungen abstimme, sei es wichtig, dass grüne Positionen erkennbar blieben, sagt die Politologin.

Viele machen sich in der kleinsten Landtagspartei Sorgen ums grüne Profil, nicht nur mit Blick auf die inhaltlich teils weit entfernte FDP, auch auf die weiter erstarkte SPD. Deren Zweitstimmen-Kampagne hat im Wahlkampf Wunden ins grüne Herz gerissen. Eine große Koalition gefällt den Grünen aber noch viel weniger. Dann würden sie mit AfD und FDP die Opposition bilden, wären die kleinste Oppositionspartei. Erst nach der Wahl ist den Grünen bewusst geworden, was Joachim Färber, grüner Dezernent in Kaiserslautern, ausspricht: „Wir haben ums politische Überleben gekämpft, ohne es zu wissen.“

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