Nato-Übung "Noble Jump 2015" in Berlin Jörg Vollmer: Drei-Sterne-Reformer

BERLIN · Jörg Vollmer hat in seiner Zeit als Leiter des Isaf-Regionalkommandos Nord über eines Gewissheit bekommen: "Sicher ist nichts in Afghanistan." Wenn der 57 Jahre alte Generalleutnant nun den Posten als neuer Inspekteur des Heeres antritt, zählt der gebürtige Bremer zu jenen Generälen der Bundeswehr, die kriegsähnliche Kämpfe der eigenen Soldaten im nordafghanischen Kundus miterlebt haben. Das prägt einen militärischen Führer.

Nato-Übung "Noble Jump 2015" in Berlin: Jörg Vollmer: Drei-Sterne-Reformer
Foto: dpa

Vollmer war zwei Mal Kommandeur der Nato-geführten Isaf-Truppen im afghanischen Norden. Zunächst 2009, als Bundeswehrsoldaten dort in einem Krieg starben, der nach außen hin so noch nicht einmal genannt werden durfte.

Es war auch das Jahr des Bombenabwurfs am Kundus-Fluss, wenige Wochen vor der Bundestagwahl 2009, als ein deutscher Oberst Nato-Luftunterstützung angefordert hatte, um zwei von Taliban gekaperte Tanklastzüge anzugreifen. Der Oberst fürchtete, die Taliban könnten die Tanklaster als Waffen gegen das deutsche Lager lenken.

Bei dem Luftangriff starben mindestens 140 Menschen, darunter viele Zivilisten. Vollmer selbst wurde von dem Bombenabwurf erst nachträglich informiert.

2013 kehrte der General mit dem buschigen Oberlippenbart dann ein zweites Mal als Befehlshaber des Isaf-Regionalkommandos Nord nach Afghanistan zurück. In etwas ruhigeren Zeiten, sofern es so etwas in Afghanistan überhaupt gibt.

Der Einsatz hat aus Vollmers Sicht zumindest für eine Zeit Stabilität zurückgebracht. "Es hat sich dahingehend gelohnt, dass man heute sagen kann: Von Afghanistan aus kann sich so schnell nicht wieder irgendeine Terrororganisation ein Netzwerk aufbauen", sagte er im vergangenen Jahr der Tageszeitung "Die Welt".

Allerdings ließ Vollmer auch durchblicken, dass es den Afghanen mitunter an Entschlossenheit mangele, gegen Terrorgefährder, Warlords und Kriminelle mit dem notwendigen Druck vorzugehen. "Die Afghanen müssen den Willen entwickeln, diejenigen, die für Unruhe sorgen - meist sind das bekannte Leute -, hinter Gitter zu bringen."

Das Heer bekommt mit Vollmer, der den Posten des Inspekteurs gestern Abend in Dresden von Generalleutnant Bruno Kasdorf feierlich übernommen hat, einen der erfahrensten Offiziere der Bundeswehr, der für seine ruhige Art geschätzt wird. Vollmer trat 1978 in die Bundeswehr ein und studierte nach seiner Ausbildung zum Offizier in Ahlen und Hammelburg Wirtschafts- und Organisationswissenschaften an der Universität der Bundeswehr in Hamburg.

Er durchlief eine geradlinige Laufbahn durch die Institutionen des Heeres, war in verschiedenen Funktionen im Bundesverteidigungsministerium tätig, wurde 2011 Kommandeur der Division Spezielle Operationen und fungierte seit Juni vergangenen Jahres als Kommandeur Einsatz und stellvertretender Heeresinspekteur. Seine Beförderung zum Inspekteur des Heeres kam von daher nicht mehr überraschend.

So wie Vollmer in Afghanistan ein Land im Übergang erlebt hat, führt er als Heeresinspekteur auch eine Truppe im Wandel. Eine schwierige Aufgabe, weil jede Reform gemeinhin auch Einschnitte in bestehende Strukturen bedeutet. Als der Bundestag im Frühjahr 2011 den Beschluss zur Aussetzung der Wehrpflicht traf, stand Vollmer vor seiner bereits sechsten Reform. Und der Prozess der Veränderung in der Truppe geht weiter. Mit Vollmer als Drei-Sterne-Reformer.

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