Kommentar zu einem Jahr Rückführzentren Kein sicherer Anker

Meinung | Berlin · Die vor einem Jahr unter zähen politischen Diskussionen neu geschaffenen Ankerzentren für Asylbewerber sind aus Sicht des Innenministeriums ein Erfolg. Gegen schnellere Verfahren ist nichts einzuwenden, kommentiert Holger Möhle.

 Transitzentrum für Asylsuchende im bayerischen Manching: Hier könnte eines von mehreren sogenannten Ankerzentren entstehen.

Transitzentrum für Asylsuchende im bayerischen Manching: Hier könnte eines von mehreren sogenannten Ankerzentren entstehen.

Foto: Stefan Puchner

So ändern sich Zeit und Stimmung. Vor einem Jahr wäre diese Bundesregierung – nach gerade mal drei Monaten im Amt – am Streit über offene Grenzen, Flüchtlingspolitik und Transitzentren beinahe zerbrochen. Horst Seehofer drohte seiner CSU mit Rücktritt von seinen politischen Ämtern – wegen weniger Dutzend Flüchtlinge pro Monat, die er notfalls im Alleingang vor allem an der bayerischen Grenze zurückweisen wollte, wenn diese bereits in anderen EU-Ländern als Asylbewerber registriert wurden. Wieder Zoff des damaligen CSU-Chefs mit der damaligen CDU-Vorsitzenden Angela Merkel.

Am Ende versprachen sie die Umsetzung der schönen Formel aus dem Koalitionsvertrag: Anker wie An(kunft), k(ommunale Verteilung), E(ntscheidung), R(ückführung). Anker–Zentren, von denen es bundesweit inzwischen 14 gibt, sollten es richten. Ein Jahr nach dem Beinahe-Zerwürfnis von CDU und CSU jubelt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der inzwischen auch CSU-Chef ist: Anker funktioniert! Zumindest in Bayern. Schnellere Verfahren, schnellere Entscheidung, schnellere Rückführung. Ab nach Hause. 1700 Flüchtlinge schob der Freistaat im ersten Halbjahr ab, 5600 machten sich auf die mehr oder minder freiwillige Ausreise in Richtung Heimat.

Im Moment kann die CSU mit Anker aber kaum punkten. Der Wahlkampf in Bayern ist vorbei, die Klimakrise hat die Flüchtlingspolitik vom ersten Platz in der öffentlichen Aufmerksamkeit verdrängt. Denn es geht um die vielen Flüchtlinge, die dann doch nicht gekommen sind. Die CSU ist still geworden bei diesem Thema. Bundesinnenminister Seehofer, der mit einigem Donner ein Rückführungsabkommen mit Italien angekündigt hatte, steht immer noch mit leeren Händen da. Amtskollege Matteo Salvini mag Seehofer nicht helfen.

Gegen schnellere Verfahren ist nichts einzuwenden. Sie schaffen auch schnell Klarheit – für beide Seiten. Doch es gibt genügend Fälle, in denen nicht schnell über einen Asylantrag entschieden werden kann. Dann folgen Monate hinter hohen Sicherheitszäunen eines Anker-Zentrums. Ohne sinnvolle Beschäftigung und Kontakt nach außen. Kein besonders schöner Anker. Immerhin herrscht zwischen den lange zerstrittenen Schwesterparteien CDU und CSU seit dem Kompromiss im vergangenen Jahr ein Flüchtlingsfrieden. Die Christsozialen sind zufrieden, weil sie wissen, dass in den sieben bayerischen Anker-Zentren ein Bleiben eher nicht vorgesehen ist. Wer hier ankert, soll vor allem eines: das Land bald wieder verlassen.

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