Agrar Keine Lösung im Glyphosat-Streit in Sicht

Berlin/Brüssel · Ob Glyphosat zu Krebs führen kann, ist in der Wissenschaft umstritten. Genauso umstritten ist die Frage, ob das Pflanzengift weiter erlaubt sein soll. Die Union ist dafür, die SPD dagegen - und keiner will nachgeben.

 Protest gegen den Einsatz des Pflanzenschutzmittels Glyphosat.

Protest gegen den Einsatz des Pflanzenschutzmittels Glyphosat.

Foto: Axel Heimken/Archiv

Im Koalitionsstreit um eine erneute Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat ist keine Annäherung in Sicht.

Während Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) die SPD-Minister wegen ihrer ablehnenden Haltung attackierte, warnte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erneut vor einem möglichen Krebsrisiko.

"Ich bin dagegen, dieses Produkt überhaupt zuzulassen, solange diese Zweifel nicht ausgeräumt sind", sagte Gabriel am Dienstag in Brüssel. "Ich bin der Meinung: Safety first, Gesundheit first."

Schmidt zeigte vor der entscheidenden EU-Abstimmung über eine weitere Zulassung des Mittels jedoch kein Verständnis für die "Rolle rückwärts" der Kabinettskollegen. "Es gab längst eine abgestimmte Regierungsposition mit dem Ziel einer Zulassung", sagte der Agrarminister der "Süddeutschen Zeitung". Über einen Schlichtungsversuch des Kanzleramts, wie ihn Regierungssprecher Steffen Seibert in der Vorwoche angekündigt hatte, war am Dienstag in Berlin nichts zu erfahren.

Die EU-Zulassung für den umstrittenen Wirkstoff endet am 30. Juni. Am Donnerstag soll der EU-Ausschuss für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit entscheiden, ob diese Zulassung verlängert wird. Wenn die Bundesregierung keine einheitliche Linie findet, müsste sich Deutschland der Stimme enthalten. Aus der Brüsseler EU-Kommission hieß es, dass die Neuzulassung nur zur Abstimmung gestellt werden dürfte, wenn die nötige Mehrheit unter den EU-Staaten zustande kommt. Bislang haben sich noch nicht alle Regierungen festgelegt.

Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Herbizid. Es steht allerdings im Verdacht, krebserregend zu sein. Ein am Montag bekannt gewordener UN-Bericht gibt Entwarnung. Tierversuche mit für Menschen relevanten Dosen hätten gezeigt, dass das umstrittene Mittel bei der Nahrungsaufnahme nicht zu genetischen Zellveränderungen führe, heißt es in dem Papier des JMPR, dem gemeinsamen Fachgremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Andere Studien gehen aber sehr wohl von einem Krebsrisiko aus.

Trotzdem erwartet der Deutsche Bauernverband eine weitere Zulassung. "Ich gehe davon aus, dass der Wirkstoff wieder genehmigt wird, weil die Unbedenklichkeit bestätigt worden ist", sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied der Deutschen Presse-Agentur. Bei sachgemäßer Anwendung seien keine negativen Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt zu verzeichnen.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) widerspricht jedoch ausdrücklich: Das Vorsorgeprinzip müsse Vorrang vor unkalkulierbaren Risiken haben. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) beharrt auf seiner ablehnenden Haltung. Es gebe keine einzige Untersuchung, welche gesundheitlichen Folgen die ununterbrochene Aufnahme von Glyphosat in kleinen Mengen habe.

Die Hersteller des Pflanzengifts sehen sich durch den jüngsten UN-Bericht bestätigt. Die Glyphosate Task Force erwartet nach eigenen Angaben, dass die "teilweise unsachlichen Kampagnen ein Ende finden". Auch der Industrieverband Agrar mahnte eine Versachlichung der Debatte an.

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