Missbrauchskandal Kirche will Gesetzeslücke schließen

ROM · Die katholische Kirche will eine Gesetzeslücke beim Vertuschen von Missbrauch schließen. Mary Collins, Mitglied der Kommission und selbst Missbrauchsopfer, zeigte sich "sehr zufrieden" mit der Ankündigung.

Einer der Hauptvorwürfe an die Verantwortlichen in der katholischen Kirche lautet, Missbrauchsfälle zu vertuschen, zu verschleppen und zu verschweigen. Auch Opfer sexuellen Missbrauchs durch Priester haben oft den Eindruck, dass ihr Recht auf lückenlose Aufklärung an einer Wand des Schweigens zerschellt. Als Antwort auf diese Herausforderung hat der Vatikan angekündigt, ein Tribunal einzurichten für Fälle, in denen sich Bischöfe des Amtsmissbrauchs im Hinblick auf die Verschleierung von Fällen sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht haben.

Die 2014 von Papst Franziskus eingesetzte Kommission für Kinderschutz unterbreitete nun einen Vorschlag, den Franziskus angenommen hat. Kern der Bestrebungen ist es, die Gesetzeslücke im Hinblick auf die Verantwortlichkeit von Bischöfen zu schließen. Bislang hatte es kirchenrechtlich keine echte Handhabe gegen Ortsbischöfe gegeben, die sexuellen Missbrauch in ihrer Diözese vertuschen.

Fortan soll die vom deutschen Kardinal Gerhard Ludwig Müller geleitete Glaubenskongregation ein Mandat für die Verurteilung von Bischöfen bekommen, die sich des Amtsmissbrauchs schuldig gemacht haben. Dazu wird ein neues apostolisches Tribunal mit festem Personal und einem zuständigen Sekretär im Rang eines Bischofs eingerichtet. Bislang übernahm eine kleine Disziplinarkommission in der Glaubenskongregation die Überprüfung von Missbrauchsfällen durch Mitglieder des Klerus. Mit den Vorgängen befasste Prälate rechnen damit, dass das Tribunal in einigen Monaten seinen Dienst aufnehmen wird, wenn Rechtsnormen formuliert werden und das Personal abgestellt sein wird.

Verurteilte müssen mit kirchlichen Strafen rechnen

Anzeigen gegen Bischöfe wegen Amtsmissbrauchs müssen bei der zuständigen Vatikan-Behörde eingereicht werden. Für die Bischöfe der Ostkirchen ist die Kongregation für die orientalischen Kirchen zuständig. Anzeigen gegen Bischöfe aus Afrika und Asien müssen bei der Kongregation für die Evangelisierung der Völker ("Propaganda Fide") eingereicht werden. Für die restlichen Bischöfe, etwa in Europa, Nord- und Südamerika, ist die Bischofskongregation zuständig.

Von dort sollen die Anzeigen an das Tribunal weitergeleitet werden. Verurteilte Bischöfe müssen mit kirchlichen Strafen, bis hin zur Amtsenthebung und der Versetzung in den Laienstand rechnen. Gemäß dem Rückwirkungsverbot kann bischöflicher Amtsmissbrauch erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regeln vom neuen Tribunal geahndet werden.

Sollte aber ein Bischof in Zukunft einen Täter wegen eines zurückliegenden Falles von Missbrauch decken, könnte er deshalb dennoch beim Vatikan angezeigt werden. Mary Collins, Mitglied der Kommission und selbst Missbrauchsopfer, zeigte sich "sehr zufrieden" mit der Ankündigung. Die päpstliche Kommission für Kinderschutz, die vom Bostoner Erzbischof Kardinal Sean O'Malley geleitet wird, hatte ihre Vorschläge dem neunköpfigen Kardinalsrat (K9) des Papstes unterbreitet. Der Rat nahm die Vorschläge einstimmig an.

Zu dem Rat zählt auch der Präfekt des neu gegründeten Wirtschaftssekretariats, Kardinal George Pell, dessen Rolle umstritten ist. Ihm wird vorgeworfen, als Bischof von Sydney einen pädophilen Priester gedeckt zu haben. Peter Saunders, selbst Opfer sexuellen Missbrauchs durch Priester und Mitglied der päpstlichen Kinderschutzkommission, hatte vor kurzem Pells Rücktritt gefordert. Der Kardinal wies die Vorwürfe zurück und behielt sich Schritte gegen Saunders vor.

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