Energiepolitik Kritik an Plan von Union und SPD zum Aus für Klimaziele 2020

Berlin · Durchstecherei oder gezielte Vorabinformation? Oder: Wie realistisch sind die nationalen Klimaziele für 2020 noch?

 Wasserdampf steigt in Hannover aus dem Kühlturm und Schornstein des Gemeinschaftskraftwerkes Hannover (GKH).

Wasserdampf steigt in Hannover aus dem Kühlturm und Schornstein des Gemeinschaftskraftwerkes Hannover (GKH).

Foto: Holger Hollemann/Illustration

Die Überlegungen von Union und SPD, die Klimaziele für 2020 aufzugeben, sind auf heftige Kritik gestoßen. Der Grünen-Politiker Robert Habeck warf den Sondierern für eine Neuauflage von Schwarz-Rot vor, den Klimaschutz zu vernachlässigen.

"Wer kämpft in der großen Koalition für den Kohleausstieg oder für eine wirkliche Verringerung des CO2-Ausstoßes, auch im Verkehr? Da ist niemand, den ich kenne", sagte der schleswig-holsteinische Umweltminister der Deutschen Presse-Agentur.

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sagte der dpa: "Das ist ein erstaunliches Rendez-vous mit der Realität ... Wir hätten uns gewünscht, dass der Unionsteil in den Jamaika-Gesprächen schon vor Wochen bereit gewesen wäre, das einzugestehen." Vielleicht hätte dies auch zu einer anderen damaligen Diskussion in der Klimapolitik mit Grünen und FDP führen können. Die FDP habe darauf gedrungen, "dass man sich ehrlich macht".

Zum Ärger der SPD hatte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) die Einigung seiner Arbeitsgruppe zur Energiepolitik öffentlich gemacht. Danach hätten sich Union und SPD vom realistischerweise nicht mehr erreichbaren deutschen Klimaziel für 2020 auch verabschiedet.

Offiziell hält Deutschland bis heute am Vorhaben fest, seinen Kohlendioxid-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte im Wahlkampf noch zugesichert, Deutschland werde sein Klimaschutzziel bis 2020 schaffen. "Wir werden Wege finden, wie wir bis 2020 unser 40-Prozent-Ziel einhalten. Das verspreche ich Ihnen", hatte sie damals gesagt.

Nach dem bekannt gewordenen Ergebnispapier der Klima-AG soll eine Kommission einen Aktionsplan zum schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung erarbeiten. Darauf hatte sich die geschäftsführende große Koalition nach langem Hin und Her bereits im November 2016 geeinigt, als Teil des Klimaschutzplans 2050. Die Unterhändler streben zudem einen Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2030 an. Das wäre ein Fortschritt - bislang waren 50 Prozent vorgesehen.

Auf die Frage, ob er über die Durchstechereien von CDU-Seite sauer sei, wich SPD-Chef Martin Schulz vor Beginn der Gespräche am Dienstag aus. Er sprach von guten und konstruktiven Beratungen. Unionsfraktionschef Volker Kauder betonte erneut, es handle sich bisher nur um Zwischenergebnisse. Es lägen noch "große Brocken" vor den Sondierern. Es gebe aber auch Bereiche, bei denen schon viel erreicht werden konnte. Er gehe im übrigen davon aus, dass man im Zeitplan liege.

Differenzen zwischen Union und SPD gibt es offenbar auch in der Steuerpolitik, über die an diesem Dienstag beraten werden soll. Die CSU lehnt die Forderung der SPD nach einer schrittweisen Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent ab, wie am Montagabend aus Verhandlungskreisen verlautete.

Beim Spitzensteuersatz soll die schrittweise Erhöhung um drei Punkte nach SPD-Vorstellung als Ausgleich für Pläne dienen, ihn erst bei etwas höheren Einkommen greifen zu lassen, wie es weiter hieß. Demnach soll er statt bei knapp 55 000 Euro künftig erst ab 60 000 Euro Jahreseinkommen fällig werden.

Zugleich wurde in den Verhandlungskreisen darauf hingewiesen, dass von dieser Verschiebung viele Angehörige der Mittelschicht wegen steigender Mieten und sonstiger Lebenshaltungskosten nicht stark profitieren würden. Umgerechnet würde der Satz dann bei einem Einkommen von knapp 5000 Euro monatlich greifen.

Gleichzeitig wurde verneint, dass es erheblichen Handlungsbedarf bei der Erbschaftsteuer für Privatpersonen gebe. So gilt derzeit für Kinder und Enkelkinder bereits ein Freibetrag von 400 000 Euro.

Mit Konflikten war zwar gerechnet worden. Jedoch hatten sich die Unterhändler an den ersten beiden Sondierungstagen am Sonntag und zunächst auch Montag bemüht, zumindest nach außen hin das Augenmerk nicht auf das Trennende zu richten.

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