Labore sind mit PCR-Tests überlastet Labore schaffen Schultests nicht mehr

Düsseldorf · Die Institute sind mit PCR-Tests überlastet. Nun sollen die Grund- und Förderschulen per Schnelltest herausfinden, welches Kind aus einer Klasse mit positivem Pool-Test infiziert ist. Bundesweit ist jeder dritte PCR-Test positiv.

 Die Labore sind überlastet. Die Auswertung der PCR-Tests für Schulen ist zum Erliegen gekommen.

Die Labore sind überlastet. Die Auswertung der PCR-Tests für Schulen ist zum Erliegen gekommen.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Infektionszahlen steigen rasant. Die Zahl der infizierten Schüler hat sich in NRW binnen einer Woche verdoppelt. Nun ist die Auswertung der PCR-Tests für Schulen in den Laboren zum Erliegen gekommen. „Aufgrund der fehlenden PCR-Kapazitäten muss die Landesregierung nun Anpassungen dieses Verfahrens vornehmen, um die PCR-Laborkapazitäten für vulnerable Gruppen freizugeben“, erklärte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Dienstagabend. Zwar sollen auch weiterhin in den Grund- und Förderschulen Lolli-PCR-Pooltests angewendet werden. Jedoch sollen künftig nur noch Schnelltests eingesetzt werden, um herauszufinden, welches Kind einer Klasse infiziert ist. „Schüler eines positiv getesteten Pools werden am nächsten Tag zu Unterrichtsbeginn in den Schulen mit Schnelltests getestet“, erklärte das Ministerium. Alternativ könnten Eltern auch einen Bürgertest vorlegen, damit das Kind wieder in die Schule kann.

Der Hintergrund: Die Tests der Grund- und Förderschüler kommen klassenweise in einen Topf (Pool), der ausgewertet wird. Ist der Pool positiv, weiß man, dass ein Kind der Klasse infiziert ist, aber nicht welches. Dies wurde bislang durch anschließende PCR-Einzeltests ermittelt, was nun nicht mehr möglich ist. Es habe eine Problemanzeige der Labore gegeben, die Schulen und Eltern darüber informiert hätten, dass auch die positiv getesteten Klassen-Pools wegen Überlastung zurzeit nicht mehr durch Einzelproben aufgelöst werden könnten, berichtete das Ministerium.

Bonner Grundschulen kalt erwischt

Die Zeit drängt: Eine Grundschule in Kranenburg (Kreis Kleve) stellte den Präsenzunterricht bereits komplett ein, weil zu viele Klassen einen positiven Test in ihrem Pool hatten.

Kalt erwischt wurden am Dienstag in aller Frühe offensichtlich auch Bonner Grundschulen von der Nachricht, dass die PCR-Rückstelltests der Grundschüler aufgrund von ausgeschöpften Laborkapazitäten nicht mehr ausgewertet werden könnten. Ein Bonner Schulpflegschaftsvorsitzender einer Grundschule beklagte, dass damit der Schwarze Peter bei den Eltern liege, die vor Beginn des Unterrichts ihre Kinder testen müssten. Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) wies parallel zu den Beratungen des Ministeriums in einer E-Mail am Dienstag Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) darauf hin, dass die Grundproblematik mangelnder Laborkapazitäten bereits in der vergangenen Woche über den Städtetag an das NRW-Schulministerium herangetragen worden sei. Sie bat die Ministerin kurzfristig mitzuteilen, welche Vorgehensweise seitens des Landes künftig angedacht sei, um sowohl für die Schulen als auch für die Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern einen einheitlichen, standardisierten, transparenten und verlässlichen Testmodus gewährleisten zu können.

Bund und Länder hatten sich auf Priorisierung verständigt

Wegen der Überlastung der Labore mit PCR-Tests hatten Bund und Länder sich am Montag auf eine Priorisierung verständigt. Nun sollen vorrangig nur noch Beschäftigte aus Kliniken und Heimen sowie Risikopatienten getestet werden. Das kann auch bedeuten, dass Länder auf die Durchführung der Lolli-Tests in Grundschulen und Kitas verzichten. „Die Entscheidungen über die Fortführung von Lolli-Pool-Testungen treffen die in den Bundesländern dafür zuständigen Behörden“, sagte Michael Müller, Chef des Verbands der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM). In der vergangenen Woche haben die Labore bundesweit 2,4 Millionen PCR-Tests ausgewertet, das sei Anstieg um 23 Prozent gegenüber der Vorwoche, so der ALM. Die Auslastung der Labore betrage 95 Prozent und erreiche die Belastungsgrenze. Jeder dritte PCR-Test ist positiv. In der Vorwoche war es jeder vierte. „Eine Priorisierung der Verwendung von PCR-Tests ist sinnvoll“, sagt Müller.

Hugo Stiegler, Leiter des Medizinischen Versorgungszentrums für Labormedizin und Mikrobiologie Ruhr in Essen, fordert die Abschaffung der Pooltests: Die Strategie der Pool-Tests sei gescheitert. „Wenn aufgrund steigender Infektionszahlen jeder zweite Pooltest positiv ist, müssen die Pools aufgelöst werden, und man hat nichts gewonnen.“ Im Gegenteil: Eine Klasse sitzt unnötig lange in Quarantäne fest, bis feststeht, welcher Schüler infiziert ist. „Was nutzt ein Ergebnis 48 bis 72 Stunden später?“, sagt Stiegler. „Da kann ich es gleich sein lassen.“

Scharfe Kritik an den Beschlüssen von Bund und Ländern kam von Lehrerverbandspräsident Heinz-Peter Meidinger: „Es ist natürlich ein schreiender Widerspruch, wenn die Politik unisono beteuert, dass das Offenhalten von Schulen oberste Priorität hat, sich aber wie schon so oft zuvor wegduckt, wenn es ganz konkret darum geht, Schüler und Lehrkräfte bei Gesundheitsschutzmaßnahmen zu priorisieren.“

Stefan Behlau, Landesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), sieht durch den Laborausfall nun viel Ärger und Frust bei Lehrern, Eltern und Schülern: „Diese Situation ist nicht nur nervenaufreibend, sondern sorgt auch für Unterrichtsausfall.“ Die Landesregierung sei gefordert, schnellstmöglich eine Lösung zu bieten. „Wer jetzt Tests aussetzt, grenzt betroffene Minderheiten aus“, kritisierte die NRW-Chefin der Landeselternkonferenz, Anke Staar. Damit würden in Schulen tätigen vulnerablen Gruppen ihrem Schicksal überlassen und billigend schwere Krankheitsverläufe in Kauf genommen.

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