Noch keine Tests für Kinder Land NRW lässt Kita-Notbetrieb nicht zu

Düsseldorf · Die Stimmung in den Verwaltungen der Städte wird angesichts der steigenden Corona-Zahlen nervöser. Das Land aber stemmt sich gegen drastische Maßnahmen in Kitas und Schulen. Schließungen dürften nicht der erste Reflex sein, warnt der Familienminister.

 Joachim Stamp (FDP), Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen.

Joachim Stamp (FDP), Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Trotz steigender Corona-Zahlen will die Landesregierung die Kitas in Nordrhein-Westfalen bis Ostern grundsätzlich mit reduziertem Stundenangebot offen halten. Einen Notbetrieb, wie von der Stadt Duisburg gefordert, werde er nicht zulassen, sagte Familienminister Joachim Stamp (FDP) am Donnerstag im Familienausschuss des Landtags. „Einem Betretungsverbot mit Notbetreuung und Privilegierung einzelner Berufsgruppen werde ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht zustimmen.“ Kita-Kinder in NRW sollen nach Worten Stamps außerdem vorerst nicht flächendeckend auf das Coronavirus getestet werden.

Möglich sei in Duisburg als Schutzmaßnahme ein eingeschränkter Pandemiebetrieb, bei dem die Kitas grundsätzlich geöffnet blieben, schlug Stamp vor. Dabei werde an die Eltern appelliert, ihre Kinder möglichst zuhause zu betreuen. Dieses Modell, das landesweit bis Ende Februar galt, habe das Land jetzt auch wieder in Wuppertal erlaubt.

Die Ruhrgebietsstadt Duisburg will dagegen in die Notbetreuung zurückgehen. Dann dürften nur noch Kinder, die besondere Bedarfe haben und Kinder von Eltern mit systemrelevanten Berufen betreut werden. Es gebe ein abgestimmtes Verfahren mit dem Land, wenn die Wocheninzidenzen länger über 100 lägen, sagte Stamp. Erst am Mittwochnachmittag sei ein erster Vorschlag Duisburgs für den Kita-Bereich eingegangen.

Es sollte aber nicht „als erster Reflex“ bei steigenden Corona-Zahlen die Schließung von Kitas und Schulen im Vordergrund stehen, sagte Stamp. In der „sehr nervösen Situation“ sollten Land und Kommunen beieinander bleiben und nicht jeder „nach seinem Gutdünken“ Maßnahmen verkünden. Das trage zur Verunsicherung bei.

Landesweit will Stamp in den Kitas mindestens bis Ostern beim eingeschränkten Regelbetrieb mit der coronabedingten Kürzung der Betreuungszeit um zehn Stunden pro Woche bleiben. Außerdem gibt es nur feste Gruppen. Damit solle die Verlässlichkeit für Eltern gesichert werden. Drastischere Einschränkungen wie den Notbetrieb sah Stamp nur als letztes Mittel, wenn die Corona-Lage eskaliere.

Stamp warnte davor, Kindertageseinrichtungen „als Pandemietreiber zu inszenieren“ und damit Ängste zu schüren. Es sei aber auch nicht so, dass Kitas völlig infektionsfrei seien. „Auch Kinder sind kleine Menschen.“

Während im Februar nach Angaben Stamps 1,8 Prozent der rund 10 000 Kitas in NRW zeitweise teils oder ganz geschlossen waren, stieg dieser Anteil von Anfang bis Mitte März auf 2,5 Prozent. Dieser leichte Anstieg sei „nicht wegzudiskutieren“, sagte Stamp. „Aber es ist keine Situation, die aus dem Ruder gelaufen ist.“ Die Grünen-Fraktionschefin Josefine Paul warnte vor einem „Drehscheiben-Effekt“, wenn infizierte Kita-Kinder das Virus in die Familien trügen.

Flächendeckende Corona-Tests bei Kita-Kindern befürwortet Stamp derzeit nicht. Wissenschaftler hätten ausdrücklich nicht dazu geraten, zum jetzigen Zeitpunkt alle Kinder zu testen. Es liefen aber lokale Studien mit noch nicht für den Massengebrauch zertifizierten Spuck- beziehungsweise Lolli-Tests bei Kindern.

Die SPD-Fraktion hat für das Plenum kommende Woche einen Antrag gestellt, dass Kinder und Personal in den Kitas täglich getestet werden können. Bislang können sich Kita-Beschäftigte zweimal wöchentlich freiwillig testen lassen. Nach Angaben des Familienministeriums soll bis Ende kommender Woche der Zuschlag zu einem Rahmenvertrag über die Lieferung von rund elf Millionen Selbstests erfolgen, die in Tranchen abgerufen werden können.

Trotz steigender Corona-Inzidenzen würden Kinder in den Kitas derzeit jedoch gänzlich außen vor gelassen, sagte der familienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dennis Maelzer. „Angesichts der aktuellen Situation rächt es sich jetzt, dass die Teststrategie des Landes nicht effektiv ist und es keine funktionierende Test-Infrastruktur im Land gibt.“

Stamp hofft auf eine rasche Wiederaufnahme der Impfungen mit dem Astrazeneca-Vakzin. Unter dieser Voraussetzung sei sein Ziel weiterhin, dass den rund 168 000 Beschäftigten im Kita-Bereich bis Ostermontag ein Impfangebot gemacht werden könne. Er hoffe, dass die Impfungen kommende Woche fortgesetzt werden könnten. Er erwarte, dass die Testzentren für den Fall der Wiederzulassung von Astrazeneca auch an den Osterfeiertagen geöffnet würden, um die verlorene Zeit wieder aufzuholen.

Der Gebrauch des Astrazeneca-Impfstoffs war in Deutschland und weiteren Ländern nach vereinzelten Thrombosefällen nach Impfungen ausgesetzt worden. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA wollte am Donnerstag entscheiden, ob das Vakzin weiter verwendet werden soll. Stamp würde sich auch öffentlich mit dem Impfstoff von Astrazeneca impfen lassen. Er wolle sich aber nicht dem Vorwurf ausgesetzt sehen, dass er sich vordrängele.

(dpa)
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