GA-Leser können Karten gewinnen Landtagspräsident André Kuper: „Hass ist keine Meinung“

Experten diskutieren am Dienstag, 19. November, im Landtag über Chancen und Risiken von sozialen Medien. Zehn GA-Leser können dabei sein. GA-Redakteur Bernd Eyermann sprach vorab mit Landtagspräsident André Kuper.

 Herr im Haus: NRW-Landtagspräsident André Kuper.

Herr im Haus: NRW-Landtagspräsident André Kuper.

Foto: dpa/Johannes Neudecker

Es ging schon um das Grundgesetz, den Antisemitismus und den Einfluss der Demoskopie auf die Demokratie – in der Reihe „Parlamentsgespräche“ lädt Landtagspräsident André Kuper regelmäßig Experten und Bürger in die Bibliothek des nordrhein-westfälischen Landtags ein. Am Dienstag, 19. November, um 17 Uhr geht es um die Frage „Soziale Medien – Chance oder Risiko für die Demokratie?“ Zehn GA-Leser können dabei sein. Im Vorfeld der Diskussion sprach mit Kuper Bernd Eyermann.

Sind soziale Medien nun Chance oder Risiko für die Demokratie?

André Kuper: Sowohl als auch. Es sind viele Chancen damit verbunden, weil sie Plattformen für den Meinungsaustausch sind. Ich kann zum Beispiel mit meinen 3500 Facebook-Followern in eine Diskussion eintreten oder eine Information weitergeben. Das ist sehr positiv. Aber in Zeiten von Fake News, Chatbots und Hass-Postings gibt es natürlich auch Risiken für die Demokratie.

Zum Beispiel?

Kuper: Man kann immer wieder beobachten, dass in den sozialen Medien Extrempositionen vertreten werden, um Stimmung zu machen. Auch mit Unwahrheiten, Abwertungen, Beleidigungen, Hass und Hetze. Ein Risiko sehe ich auch darin, dass viele nicht das Bewusstsein für die Algorithmen haben, die das Ganze steuern. Weil dem Einzelnen oft nur die Meinung Gleichdenkender angezeigt wird, entstehen Filterblasen in den sozialen Medien. Damit fühlen sich die Nutzer als Teil einer Massenbewegung. Im Einzelfall kann das gefährlich für die Demokratie sein.

Tut mehr Aufklärung über die sozialen Medien Not?

Kuper: Ich nehme gerade bei meinen Schulbesuchen wahr, dass eine Äußerung oder ein Post bei Facebook, Instagram oder Twitter genauso wertgeschätzt wird wie eine Nachricht, die von qualitativem Journalismus erarbeitet worden ist, sei es bei einer Tageszeitung, im Rundfunk oder im Fernsehen. Da müssen wir noch mehr sensibilisieren. In einer Demokratie leben wir davon, dass sich unsere Bürger aktiv beteiligen. Das heißt: Ich brauche die Möglichkeit einer breiten Information und nicht die unkritische Übernahme von Äußerungen in den sozialen Medien. Wenn ich Letzteres bemerke, betone ich immer wieder, welchen Wert Qualitätsjournalismus hat. Auf Dauer ist es ein sehr hohes Risiko für unsere Demokratie, wenn die Menschen sagen, ich brauch doch keine Tageszeitung oder keinen Rundfunk mehr.

Gibt es die viel zitierte Polarisierung der politischen Debatte?

Kuper: Die sehen wir in der Tat in den sozialen Medien. Daraus darf aber keine Legitimation für Gewalt entstehen. Politiker sind kein Freiwild. Und Hass ist keine Meinung.

Bemerken Sie im Landtag, dass Hass und Hetze aus dem Netz ins Parlament getragen werden?

Kuper: Ja, genauso aber auch in die andere Richtung. Die Anzahl der Rügen im Landtag hat sich im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Wahlperioden verachtfacht. Damit geht auch ein Signal in die sozialen Medien. Wenn sich das Klima im Landtag verändert, wenn sich Sprache im Landtag verändert, hat das Auswirkungen auf die Sprache in den sozialen Medien. Deshalb appelliere ich immer wieder an die Abgeordneten, sich an die Spielregeln zu halten. Streit gehört zu einer Demokratie, aber wir müssen am Ende eines Streits auch zu einem Kompromiss kommen können. Und dann gehört es dazu, dass ich als guter Demokrat diesen Kompromiss auch vertrete oder Entscheidungen der Mehrheit akzeptiere, statt weiter zu hetzen.

Ist die Kompromissfähigkeit im Landtag zurückgegangen?

Kuper: Das würde ich gar nicht mal sagen. Aber ich glaube, dass in unserer Gesellschaft zu viel von einem faulen Kompromiss gesprochen wird und das Bewusstsein dafür verloren geht, dass es eine parlamentarische Demokratie nur mit einem Konsens gibt und dass es zu einer Demokratie gehört, am Ende den einen oder anderen Kompromiss zu teilen. Mir wird zu viel in Schwarz- und Weiß-Positionen gedacht. Das Ziel, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, haben nicht immer unbedingt alle. Daran können wir noch arbeiten.

Hat sich da im Landtag etwas verändert?

Kuper: Es ist in der Tat eine Entwicklung bemerkbar, dass zunehmende Angriffe auf die Demokratie dazu führen, dass sich die demokratischen Parteien viel mehr zu gemeinsamen Anträgen entschließen. Es scheint, als hätten der Mord an Walter Lübcke, der Terroranschlag von Halle oder auch die Bedrohungen von Politikern wie Renate Künast, Claudia Roth und Cem Özdemir dazu geführt, die Demokraten zusammenzuschweißen. Man bemüht sich mehr um pragmatische Politik und darum, zu einem gemeinsamen Konsens zu finden. Die Koalition könnte ihre Regierungsmehrheit tagtäglich nutzen, um Anträge durchzubringen. Das ist in früheren Legislaturperioden lange Zeit ja auch so gemacht worden. Aber im Sinne einer besseren Akzeptanz der parlamentarischen Demokratie finde ich es gut, dass man inzwischen eine konstruktivere Form gewählt hat.

Sie sprechen von den demokratischen Parteien. Zählt für Sie die AfD nicht dazu?

Kuper: Die Mitglieder der AfD-Fraktion im Landtag NRW sind demokratisch gewählt worden und entsprechend im Landtag vertreten. Jeder Abgeordnete, der durch eine freiheitlich-demokratische Wahl ins Parlament gekommen ist, hat den Anspruch, dass der Landtagspräsident damit überparteilich umgeht. Ich will aber nicht verhehlen, dass mir antidemokratische und rassistische Tendenzen, egal ob von rechts oder links, große Sorgen bereiten. Auch ich persönlich habe solche Äußerungen und persönliche Anfeindungen erleben müssen.

Sie wollen, dass sich die Bürger aktiv an der Demokratie beteiligen. Was erwarten Sie von den Bürgern?

Kuper: Gerade in diesen Zeiten der zunehmenden Verschärfung der politischen Debatte brauchen wir mehr Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Wir brauchen mehr, die jetzt aufstehen und Farbe bekennen, und die sich dem Hass entgegen stellen.

Im nächsten Jahr sind Kommunalwahlen. Ist das auch ein Appell des Landtagspräsidenten, sich für Räte aufzustellen und an den politischen Programmen mitzuarbeiten?

Kuper: Ja, das ist mir ganz wichtig. Bürger, die konstruktiv arbeiten, sind eine Bereicherung für die Kommunalparlamente. Wenn diese Bürger sagten, ‚dieser Auseinandersetzung, diesem Hass und dieser Hetze setze ich mich nicht aus‘ wäre das das Schlechteste, was der Demokratie passieren kann. Wir brauchen Menschen, die bereit sind, das Kreuz gerade zu machen und gerade deshalb bereit sind, sich zu engagieren.

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