Interview mit SPD-Generalsekretär Klingbeil "Die CDU unter AKK geht zurück und nach rechts"

Hat Juso-Chef Kevin Kühnert der SPD mit seinen Aussagen geschadet? Lars Klingbeil, Generalsekretär der Partei, spricht im Interview darüber - und erklärt, warum Annegret Kramp-Karrenbauer seiner Meinung nach nicht Kanzlerin werden kann.

 SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sieht keinen Grund, die Regierung infrage zu stellen.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sieht keinen Grund, die Regierung infrage zu stellen.

Foto: picture alliance/dpa

Herr Klingbeil, sind Sie Sozialist?

Lars Klingbeil: Ich bin überzeugter Sozialdemokrat. Ich habe mir gerade auch als Generalsekretär vorgenommen, dass die SPD sich wieder stärker um die Themen kümmert, die die Menschen ganz konkret in ihrem Alltag bewegen und die uns seit 155 Jahren stark machen. Das sind Fragen nach der sozialen Gerechtigkeit. Und die letzten Tage haben gezeigt, dass diese Fragen sehr aktuell sind.

Ist denn aus Ihrer Sicht etwas schlecht am demokratischen Sozialismus?

Klingbeil: Für mich ist das ein Traditionsbegriff, der ganz viel mit der Geschichte der SPD zu tun hat. Es geht darum, wer hat eigentlich das Sagen: Die Wirtschaft oder die Politik. Wir müssen uns bewusstmachen, dass in der Art und Weise, wie wir wirtschaften einiges aus dem Ruder läuft. Beispielsweise rechnen sich große Digitalunternehmen bei der Steuer klein und übernehmen keine soziale Verantwortung. Das darf nicht sein. Die Politik muss die Regeln setzen. Der Druck, der im Gesundheits- und Pflegebereich da ist, die ständige Gewinnmaximierung, das sind doch alles Dinge, die schieflaufen und die wir ändern müssen.

Der Juso-Chef hat der Partei also nicht geschadet?

Klingbeil: Als ich Generalsekretär wurde, habe ich eingefordert, dass meine Partei wieder lernt, die großen Fragen zu diskutieren. Was einer Partei schadet, ist fehlende Geschlossenheit. Und da waren einige Tweets und Kommentare in den letzten Tagen nicht unbedingt hilfreich. Noch erstaunter bin ich allerdings über das Verhalten der Union.

Inwiefern?

Klingbeil: Da stürzt sich die amtierende CDU-Chefin auf den Vorsitzenden unserer Nachwuchsorganisation und beißt sich tagelang an ihm fest. Annegret Kramp-Karrenbauer hat anscheinend zu viel Langeweile im Konrad-Adenauer-Haus. Anders ist ihr Verhalten nicht zu erklären. Angela Merkel ist deutlich souveräner mit solchen Situationen umgegangen. Gleichzeitig scheuen die Konservativen jede Debatte über soziale Ungleichheit. Wenn es um Gerechtigkeitsfragen geht, werden CDU und CSU hysterisch und sind inhaltlich blank.

SPD-Chefin Andrea Nahles hat Kühnerts Thesen doch auch als falsch bezeichnet.

Klingbeil: Niemand in der SPD-Führung teilt die Forderungen zu BMW. Die sind auch falsch. Andrea Nahles hat in ihrer Antrittsrede Debatten darüber eingefordert, wie wir unseren Wohlstand erwirtschaften und gesellschaftlichen Zusammenhalt bewahren können. Und aktuelle Studien über die wachsende Ungleichheit zwischen Arm und Reich zeigen doch die Bedeutung dieser Themen.

Nur muss es ja auch Antworten Ihrer Partei darauf geben! Selbst mit einem Mindestlohn von zwölf Euro dürfte das nicht getan sein.

Klingbeil: Seit die SPD in diese Koalition eingetreten ist, setzt sie Vorhaben für mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft um. Die Stabilisierung der Rente, mehr Geld für die Qualität in Kitas und das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit, das sind alles Antworten darauf. Auch unsere Idee einer Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung gehört dazu. Wir setzen hier als SPD ganz klar die Akzente in der Regierung.

Nun wird die Steuerschätzung an diesem Donnerstag wohl eine Lücke von 15 Milliarden Euro in 2020 ausweisen. Muss Neuverschuldung möglich sein, um all die sozialen Projekte trotz der abflauenden Konjunktur umzusetzen?

Klingbeil: Wir müssen die konkreten Zahlen am Donnerstag erst einmal abwarten. Aber klar ist, dass wir in den kommenden Monaten eine Zuspitzung in der Bundesregierung erleben werden. Die Union ruft nach Steuersenkungen und will den Soli selbst für Superreiche abschaffen. Und wir als SPD gehen konsequent den Weg von sozialem Zusammenhalt, etwa durch die Grundrente und bei Zukunftsinvestitionen in die digitale Infrastruktur sowie in Bildung.

Aber nochmal nachgefragt: Muss man dafür das Prinzip des ausgeglichenen Haushalts ohne Neuverschuldung nicht aufgeben?

Klingbeil: Investitionen in den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft müssen weiter möglich bleiben. Es gibt eine Mehrheit in der Mitte der Gesellschaft, die mittlerweile über zentrale soziale Fragen wie bezahlbaren Wohnraum diskutiert. Die lassen wir als SPD damit nicht alleine.

Wird die Zuspitzung soweit gehen, dass Union und SPD jeweils ein Thema derart hart verteidigen, dass daran auch die Koalition zerbrechen kann?

Klingbeil: Das sehe ich nicht. Die SPD hat keinerlei Interesse daran, die Koalition platzen zu lassen. Von Klimaschutzgesetz bis zur Grundrente haben wir als SPD ja noch viel vor. Es gibt überhaupt keinen Grund, diese Regierung infrage zu stellen.

Aber wichtige Projekte, wie eben die Grundrente, werden gegenseitig blockiert, Union und SPD haben sich verhakt. Was haben die Bürger davon?

Klingbeil: Wir haben in vielen Bereichen gezeigt, dass die Regierung handlungsfähig ist. Vor allem als SPD haben wir zum Beispiel mit dem Starke-Familien-Gesetz konkrete Verbesserungen für die Menschen erreicht. Jetzt kommen mit der Grundrente und dem Klimaschutzgesetz einige große Brocken, das stimmt. Aber warten wir doch mal ab. Arbeitsminister Hubertus Heil wird in wenigen Wochen sein Gesetz für die Grundrente vorstellen. Dann diskutieren wir konkret weiter.

Wird es mit der SPD Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien geben?

Klingbeil: Wir haben im Koalitionsvertrag sehr klar gesagt, wir wollen europäische Rüstungsexportrichtlinien basierend auf deutschen Vorstellungen. Da muss Wirtschaftsminister Peter Altmaier jetzt mal die Ärmel hochkrempeln und seinen Job mit den europäischen Partnern machen. Aktuell gilt die Entscheidung, dass keinerlei Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien geliefert werden.

Bereitet es Ihnen Sorge, welchen Wandel Ihr Koalitionspartner unter der Führung von Annegret Kramp-Karrenbauer durchläuft?

Klingbeil: Es ist ja offensichtlich, wo es mit der CDU unter der neuen Chefin hingeht: zurück und nach rechts. Frau Kramp-Karrenbauer holt alte Slogans wie „Freiheit statt Sozialismus“ aus der Mottenkiste. Mit diesem Spruch hat die CDU schon 1976 ihr gewünschtes Wahlergebnis verfehlt. Ich sehe nicht, dass jemand, der so rückwärtsgewandt agiert, Kanzlerin in diesem Land werden kann.

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